Alle Siege sind traurig


SZ:
Für den großen Skeptiker E.M. Cioran gibt es drei Formen der europäischen Traurigkeit, die portugiesische, die russische und die ungarische. Welcher Form der Traurigkeit fühlen Sie sich am stärksten verbunden?

Kraznahorkai: Der dänischen, falls es sie gibt, denn mir sind alle Formen der Traurigkeit sehr sympathisch. In der Traurigkeit erscheinen die Dinge in einer schmerzhaften Schönheit. Zwischen allen Formen der Schönheit steht mir die in der Traurigkeit auftauchende Schönheit am nächsten. Es ist schwierig zu sagen warum. Die in der Freude erscheinende Schönheit hängt für mich sehr eng mit dem Sieg und mit dem Gewinner zusammen, und ich kann weder mit dem Sieg noch mit dem Gewinner etwas anfangen. Ich verstehe den Sieg eigentlich nicht. Die Schönheit des Lächelns des Gewinners sagt mir nichts. Alle Siege sind traurig.


Der ungarische Schriftsteller László Kraznahorkai im Gespräch mit Klaus Dermutz
Süddeutsche Zeitung Nr. 149 vom 2. Juli 2010

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