Lieber Fritz.
Die Ausstellung „ZeichnungSehen“ ist eine sehr schöne, sehr kleine und sehr unspektakuläre Ausstellung. Das Wallraff-Richartz-Museum stellte Material aus der eigenen graphischen Sammlung zusammen und zeigt in didaktisch klarer Art all die verschiedenen Aspekte von Zeichnung. Ich habe Dir auch ein Ausstellungs-Heftchen besorgt, obwohl Du eventuell nicht mal was Neues drin finden wirst. Andererseits: Selbst emeritierte Professoren wissen nicht alles und verschusseln ja sehr wahrscheinlich auch wieder die Hälfte. Viel Spaß also damit. Wenn Du in Köln sein solltest: Es lohnt.Jedenfalls war es eine gute Lehrstunde, in dieser Ausstellung herum zu stöbern und mal ein paar Zeichnungs-Weisheiten festzustellen:
Zunächst, mein lieber Herr Gesangsverein, eine Frage: Liege ich so falsch, wenn ich einige frühe Figuren Deiner Hand zu so manchem Blatt von Tiepolo aber auch Raffael gesellen will? Sowohl die Linien als auch das Laviergebrumme laufen doch recht ähnlich locker. Wie uns die Alten sungen …
Bei einer Skizze zum „Dejeuner“ sieht man: Der Cezanne konnte es mit Bleistift schon gleich gar nicht. Gut, daß man ihm dann doch noch Farbe und Leinwand gab.
Wie ich’s von all den Guten und Gerechten kenne: Paul Werner rutscht im Studienbuch beim sitzenden Frauenakt harmlos scheints von der rechten auf die linke Seite. Aber nur mit eineinhalb Zehen, quasi bloß dem großen Onkel. Mensch, wird ihn das geärgert haben, denn hier wäre Kraft und Deutlichkeit besser gewesen. Also: Richtig drüber, Paul, oder bleiben lassen! Setzen!
Beim Munch möcht man schrei‘n vor lauter Unheimlichkeit, die er einem Grafen von Schwerin 1894 schon ins Fresslein kohlt, teils wischt.
Pieter Jansz Quast zittert sich am „Kopf eines Mannes“ erst am zucchinihaften Kinn entlang und wiederholt das Rötel-Tattern dann am Mützlein – einzig um eine Figur zu schaffen, die den Festus Haggen aus „Rauchende Colts“ um mehr als 300 Jahre vorwegnimmt.
Die „Vier neapolitanischen Sänger“ von Johann König sollten allesamt mal schnell zum Zahnarzt. Obwohl sie exakt so verdrießlich katzenjammern als kämen sie grad vom Babier – und er hat es sicher nicht gut mit ihnen gemeint, den armen Kartoffelköpfen.
Aber der Menzel! Mein Lieber!