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Im Herbst

Jetzt ist es Zeit. Das Jahr wechselt die Schuhe.
Ein Übergang voll Peng und Farbenknall.
Der Herbst ist keine Jahreszeit für Sündenfall,
für Grau-in-Grau nicht, nicht für Rumgemuhe.

Der Herbst taugt auch für Muße nicht und Ruhe.
Viel eher gilt wie stets und überall:
Wer jetzt kein Haus hat, geht halt in den Stall.
Veränderung liegt an und Indian-Summer-Rumgetue.

Denn wie das Grün im Wald und auf der Heide
sich bunt verfärbt, als sei die Welt ein Clown,
so wirft manch Rindvieh sich in Farb-Geschmeide.

Allherbstlich kann man dieses Wunder schaun:
Ganz sanft verfärben sich jetzt Stall und Weide
von Holstein-Schwarzbunt Richtung Obersalzberg-Braun.
 
 
(Ein Teaser aus dem Cartoonband „Kuhgeflüster“.
Gibt’s im lokalen Buchhandel und hier)

Für ein hier nicht anwesendes Bild

oben in den tischtuschbergen
oben bei den sieben zwergen
dort, wo kraniche sonst schlafen
sonne, mond und stern sich trafen

dort, wo noch die kühnste wolke
wässrig wird wie matte molke
dort, wo stets zum selbstpläsier
nebel schwadet auf papier –

droben in den tuschewipfeln
sehe ich auf japanzipfeln
manche zeichnerinnen schwitzen
über berghangpinselspitzen

Fujiwara Panno Mototoshi (1060–1142)

(das zugehörige Bild findet man hier)

Genesis (reloaded)

Liegt ein Staub auf allen Dingen,
grünt ein Schmier allüberall.
Hör nur: Silberfischchen singen
schöner als die Nachtigall.

Altpapier wächst allerorten,
auf dem Spül liegt Ewger Schnee,
Krümel, Haare aller Sorten,
Spinneweb im Separée.

Wäscheberge stellen Fragen,
Scheiben starren matt und grau.
Zum Putzen, Wienern, Wohlbehagen
fehlt mir jeder Überbau.

Geb viel lieber mich den Lastern
hin, naiv und unverstellt.
Phlegma und auch Sehnsucht pflastern
meine Wege in die Welt.

Und so bleibt mir meine Erdung
auch in Chaos und Verfall:
Weiß doch, vor der Menschenwerdung
kommt der Haushalt-Sündenfall.

(aus gegebenem Anlass auch hier bei der taz)

KAWUMM (reloaded)

Ludwig ist ein lauter Mann,
der lauteste von allen.
Worüber er nicht reden kann,
darüber muss er knallen.

Schon früh hat er die Welt traktiert
und Feuerwerk sich selbst gemacht,
hat jeden Hamster explodiert
und Nachbars Katzen weggekracht.

Jetzt reicht ihm nicht mehr Chinaböller,
es lockt nicht mehr Kanonenschlag.
Er braucht es lauter jetzt und döller:
ein Donner wie zum Jüngsten Tag.

So türmte er im Jahreslauf
im Keller heimlich voller Glück
Knallfrösche, Zünder, Pulver auf
und baute sich sein Meisterstück.

Heut zu Silvester soll das bunte
und laute Oeuvre aus der Flasche.
Er schwört beim Anzünden der Lunte
sich selbst: „Lux fiat – oder Asche!“

Gesagt, getan. Ein Knall, ein Schrei.
Schon fehlt ihm seine linke Hand.
Dann fliegt sein Ohr an ihm vorbei.
Das Haupthaar – zosch! – ist weggebrannt.

Auch steht die Hose hell in Flammen,
jäh platzt sein rechtes Trommelfell.
Gesicht und Haupt voll Blut und Schrammen.
Rabatz wird laut. Das Licht wird hell.

Dann schießt er neben Leuchtraketen
hoch in den Himmel und vollstreckt
inmitten aller acht Planeten
sich selbst als Glitzerknalleffekt.

Die Arme fehlen seit dem Rumms,
die Beine auch – doch ohne Fehl
illuminiert er voll Kawumms
die Nacht mit tausend Dezibel.

Dann ist es still. Ein neues Jahr.
Als Rumpf saust er zur Erde nieder
und denkt beseelt: Wie wunderbar,
gleich seh ich die Familie wieder!

Er weiß sich, als der Kracher Zierde,
noch während er im freien Fall ist,
endlich am Ziel seiner Begierde:
Die Welt ist alles, was der Knall ist.