Archiv der Kategorie: Geschrieben

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Knotenpunkt

Die Straße glänzt wie grade erst befeuchtet
Fahrräder stehn für Kaffee an
Vom Lautsprech singt der Muselmann
Der Kirchturm ist erfrischend ausgeleuchtet

Die Autos spritzen fort zu beiden Seiten
Die Menschen gehen in die Knie
Soviel Bereitschaft war noch nie
Dem Fotograf Motive zu bereiten

Und doch: Dem Irrsin fehlen hier die Maße
Er will auf kein Detail verzichten
Schon gar nicht auf die Bettgeschichten
Hier in der Sensationenlindwurmstraße

(das zugehörige Bild findet man hier)

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Wenn ich auf meine Ehe schau:
So ganz gefiel mir nie die Frau
an meiner Seite. Routiniert
hab ich sie neulich korrigiert.

Jetzt steht sie da wie Porzellan.
Der Kopf ist groß, der Arm liegt an.
Nun hat die liebe Seele Ruh,
denn endlich trägt sie schwarze Schuh.

Und überhaupt, der neuste Schrei:
Die ganze Dame ist aus Blei!
Wie ich sie da so stehen seh
tut’s mir in Herz und Seele weh

Auf Neue bin ich nun entflammt,
fühl mich wie frisch verbräutigamt.
Nie waren glücklicher je wir
als ich und sie da auf Papier.

(das zugehörige Bild findet man hier)

Ode an die Bitch

Europa ist ganz klar die schärfste aller Schnitten.
So eine Braut, die findest du nicht allerorten.
Dies Baby ist die hammergeilste aller Torten
und ihre Schönheit wird von niemandem bestritten.

Die Leidenschaft Europas, ja, auch Brüssels Hitze
und selbst die Sexyness der Institutionen,
ist allen ein Begriff, die auf dem Globus wohnen.
Und ihre Bitchness finden alle Typen spitze.

Europa ist so scharf, so gierig und vermessen,
sie treibt es laut bis hin zur Nachbarschaftsbeschwerde.
Nie wird es ihr genug und gänzlich weltvergessen

gibt sie sich für uns hin, so heiß wie tausend Herde.
Drum: Sollt ich jemals totgehn, wünsch ich wie besessen,
dass ich als Europäer neu geboren werde.

Und nicht als Flüchtling aus ’nem andern Teil der Erde.

Drei Dinge

Dinge, die mir nie was gaben:
Wellen machen mich nicht munter
Berge ziehn mich immer runter
Täler sind mir zu erhaben

Dinge, die mich mutlos machen:
Blumen lassen mich verblöden
Tiere tuen mich nur öden
Frauen bringen mich zum Lachen

Dinge, die mich stets erfreuen:
Kuchen, wenn sie fast gelungen
Lieder, wenn sie traurig klungen
Pferde, wenn sie vor mir scheuen

Vom Kleinen Mann

Am Abend sitzt der Kleine Mann im Zimmer
er weiß nicht recht wohin und nicht wozu
er findet keinen Frieden, keine Ruh
drum geht er in die Kneipe, so wie immer

Hier lässt er sich vom süßen Leben locken
Die Kneipe ist das Nest des Kleinen Mannes.
Hier spürt er: Ich will fliegen und ich kann es!
Dann denkt er: Kleiner Mann! Und bleibt still hocken.

Die Kneipe aber lässt ihn das kaum spüren.
Hier darf er Abends bei der Champions League
ein Teil sein von dem Kleine-Männer-Krieg
und laut sein Team ins Halbfinale führen.

Hier ist das kleine-Männer-Reservat.
Hier ist er wer. Hier zählt, was er erzählt.
Hier fühlt er sich von jedem Bier erwählt.
Hier gibt er ungefragt gern manchen guten Rat.

Hier plappert er ganz froh, hält große Reden.
Hier schwadroniert er wunderwas herbei.
Hier hat er Ruhe vor der Barbarei.
Hier ist des Kleinen Mannes Garten Eden.

Hier schielt jedoch der kleine Mann nach zuviel Bier
auch schon mal übern Tresen, und er späht
zur Kellnerin. Er weiß, dass da was geht.
Sie will’s doch auch! Er müsste sie nur fragen, jetzt und hier.

Stumm glotzend wird von Abenteuern phantasiert
und an die große Leidenschaft geglaubt.
Die Theke aber teilt die Welt. Und überhaupt:
Die Kellnerin hat Kickboxen trainiert.

Nach siebzehn Bier erstrahlt er dann in Glimmer.
Er zahlt und lächelt, nickt und geht nach Haus.
Für heute sind die Abenteuer aus.
Dann sitzt der Kleine Mann wieder im Zimmer.

Jetzt nicht schwächeln, Wladimir!

Lass dich bloß nicht weichverhandeln!
Mach jetzt keine Atempause!
Dies ist deine Zeit zum Handeln:
Hol auch uns zu dir nach Hause!

Hol auch uns an Deinen Busen!
Ohne dich sind wir allein.
Schau, wir wollen mit dir schmusen.
Krim kann nur der Anfang sein.

Sieh dir doch den Globus an:
Ist nicht alles Russenreich?
Schließ jetzt endlich Schweden an,
Wuppertal und Österreich!

Lass die andern ruhig reden.
Du bleib auf der Einkaufstour:
Hol dir noch den Garten Eden
und dann Mühlheim an der Ruhr!

Schau, wir sind doch alle Russen,
wie der Gérard Depardieu!
Wir gehören freigeschussen
und vereinigt peu a peu!

Einig Reich des Putin-Bären,
überall – von dort bis hier.
Wärs nicht schön, wir alle wären
Deine Kinder, Wladimir?

Was sagst du? Jetzt ist erst Polen
und danach Mallorca dran?
Aber dann kommst du uns holen?
– Wir ziehn schon mal die Schuhe an.

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Im Ehrenhof zu Düsseldorf,
da ist es schön wie nie.
Da kann ich fein besinnlich sein,
da geh ich langsam in die Knie.

Im Ehrenhof zu Düsseldorf,
da wo’s am schönsten ist,
da zeige ich mich ungeniert
als junger Exhibitionist.

Im Ehrenhof zu Düsseldorf,
da spür ich süßen Schmerz.
Ich mach mich nackt, ich bin ganz frei,
ich spür mein steinern wildes Herz.

Im Ehrenhof zu Düsseldorf,
da denk ich in der Nacht:
Ich habe fast ganz Deutschland schon
so um den Schlaf gebracht.

Im Ehrenhof zu Düsseldorf,
da lächle ich gescheit:
So nackt, mit kleinem Piephahn dran,
bin Heinrich Heine ich geweiht.

(das zugehörige Bild findet man hier)

Frühlings Erwachen

Mache ich es ganz allein
geht es mir durch Mark und Bein
Tue ich es mal zu zweit
dauert’s eine Ewigkeit

Machen wir es mal zu dritt
komm ich nie so richtig mit
Tun wir es dann mal zu viert
ist’s mir schlicht zu kompliziert

Mache ich es spirituell
geht es meistens viel zu schnell
Tue ich es rational
sieht es doof aus und banal

Mache ich’s mit Alkohol
fühlt sich’s an wie ein Symbol
Geh ich’s völlig nüchtern an
weiß ich nie: Bin ich jetzt dran?

Tu ich’s wie es alle tun
fühle ich mich wie ein Huhn
Mach ich’s wie es mir gefällt
ist es nicht von dieser Welt.

Tu ich es von hinten links
verrenk ich meistens mir das Dings
Tu ich es von vorne rechts
bin ich Schande des Geschlechts

Mache ich’s im Dauerlauf
ähnelt es dem Schlussverkauf
Mache ich es schlicht im Stehn
kann ich gleich nach Hause gehn

Wie man sieht: Wie ich’s auch mach
bleibt es bloß ein Weh und Ach
Wisst Ihr was: Ist mir zu schwer
Mach’ ich es halt gar nicht mehr

Sommerzeit: Kurz vor Frühling

Auf den Feldern liegt ein blauer Schatten
Häuser stehen rauchend unter Brücken
Hügel tragen Grünzeug wie Perücken
Flirrend Frisches flattert in Rabatten

Schräg am Himmel krachen weiße Flieger
Autobahn mäandert durch die Fluren
Zeiger huschen rasch auf allen Uhren
Spätmärz rüstet sich als Frühlingskrieger

Blüten beissen schmatzend in die Wiesen
Windrad dreht verträumt langsame Runden
Wärme zeugt von nahen Paradiesen

Eichhorn frisst den Vorrat in Sekunden
Warten lohnt sich – das ist nun bewiesen
Glück ist nur noch Frage jetzt von Stunden