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3. Stock: Damenoberbekleidung

Herren warten stumm auf Damen,
schauen seufzend auf die Uhr,
harren aus in Gottesnamen,
folgen so ihrer Natur.

Herren ringen mit den Händen,
unverstehn die ganze Welt,
lesen Wichtiges von Wänden,
zählen lustlos Taschengeld.

Herren prüfen Glanz der Schuhe,
gucken ratlos in die Luft,
kratzen sich in aller Ruhe,
dünsten schweren Moschusduft.

Herren fremdeln starr ins Blaue,
halten bunte Tüten fest,
schlummern sachte sich ins Flaue,
züngeln schmatzend Essensrest.

Herren bleiben brav wo sitzen,
zupfen fauchend Nasenhaar,
checken Mails und achselschwitzen,
leiden scheinbar unscheinbar.

Herren starren große Löcher,
atmen ein und tief und aus,
warten sitzend noch und nöcher,
kommen nie hier wieder raus.

Damen derweil treten munter
in die Welt des Kaufens ein,
werden schöner, werden bunter,
lassen Herren Herren sein.

Draußen die Handwerker

Dröhnen, Quietschen, Spritzen, Spratzen
Wir hier drinnen wie zwei Spatzen

Rauschen, Tuten, Knarzen, Klirren
Unerhörtes warmes Flirren

Schlagen, Rumpeln, Platschen, Dröhnen
Warmes Schmatzen, weiches Stöhnen

Kreischen, Flattern, Stottern, Brummen
Stille. Und entspanntes Summen

Schrammen, Brüllen, Funken, Zischen
Jetzt was rauchen, dann erfrischen

Zweites Frühstück

Der rotwangige, ältere Herr, der neben mir am kleinen Bäckereitisch sitzt, antwortet jedesmal bestätigend „Tschüss, Tschüss!“, wenn sich eine der Kundinnen nach dem Brotkauf von der Verkäuferin verabschiedet. Um die Poesie des Moments angemessen verstehen zu können, ist es hilfreich, wenn man weiß, dass unser Tisch etwa zehn Meter vom Verkaufstresen entfernt in einer dunklen Ecke steht, von allen beinahe unbemerkt, und dass mein Nachbar ansonsten nichts sagt oder tut, außer leise vor sich hin zu summen und ganz leicht aus dem linken Auge zu tränen.

Boulevard der Literaten

J. K. Rowling schrieb jüngst unter
falschem Namen Krimis runter.
Narrte so die Buchkritik –
doch das ist kein neuer Trick:

Schon Markus der Evangelist
schrieb als Lukas seinen Mist.
Auch offenbarte unterm Strich
Matthäus als Johannes sich.

Ben Johnson kam als Shakespeare klar,
der wiederum Herr Bacon war.
Und Schiller spaßte ohne Nöte:
Er schrieb als Also-known-as-Goethe.

Selbst Thomas Mann haute als Klaus
die allerschärfsten Dinger raus.
Und dreimal las als Stefan Zweig
Franz Kafka vor beim Open Mike.

Tucholsky schrieb als Bertolt Brecht.
Herr Musil war als Kraus nicht schlecht.
Nur Arno Schmidt blieb Arno Schmidt –
so etwas machte der nicht mit.

(aus Leipziger Anlässen auch hier)

Animal triste

Mein Feuermolch Hans-Ferdinand
war eines Tages ausgebrannt.

Mein Hund mit Kosenamen Werner
stand langem Leben eher ferner.

Mein Dinosaurier Heinz-Klaus
starb eines Tages einfach aus.

Mein Hamster, den ich Oskar nannte,
rotierte, bis der Käfig brannte.

 

Mein Python, der auf Mogli hörte,
verknotete sich, bis er störte.

Mein Kätzchen, Kosename Lou,
gab erst im siebten Mixer Ruh.

Mein Sittich, Peterchen genannt,
verzwitscherte als Denunziant.

Und Heinrich, mein Chamäleon,
entfärbte sich im Waschsalon.

 

Auf Dauer muss man konstatieren:
Ich kann nicht allzu gut mit Tieren.

Bekenntnisse (Gähn!)

Ich mach es gern in meinem Bett,
ich find es in der Küche nett,
ich möcht es gleich am Morgen tun,
ich lieb’s in Socken und in Schuhn.

Ich mag es mit und ohne Kleid
und bin zu jeder Zeit bereit.
Doch werd ich erst so richtig froh,
mach ich es coram publico!

So tat ich’s schon im Omnibus
und auch im Stadtpark mit Genuss.
Im Hochamt überkam es mich
und auch in Meerbusch-Büderich.

Im Waschsalon hab ich’s getan,
im Kino hatt ich Spaß daran
und einmal gar im Karussell –
doch das ging irgendwie zu schnell.

Selbst im Café ist’s mir nicht fremd.
Ich tu es froh und ungehemmt
und find es auch nicht sonderbar
im Wüstensand und am Polar-

kreis, wo so grün das Nordlicht flirrt.
Ich mach’s, bis mir die Rübe schwirrt,
zuhause und in jedem Hafen,
am liebsten dauernd: tiefes Schlafen.

Ich brauch auch keine Schlummerlieder.
Kaum schreib ich’s, überkommt’s mich wied…

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Aus den Allegorien

Was knarrzt wie dünner Milchschaumpelz,
Wie kristalliner Eisschneeschaum,
Ist stiller Seufz vom Bretterbaum,
Ist frühverharzter Tränenschmelz.

Es leidet stellvertretend hier
Für dich und mich und Müllers Kuh
Das Holz. Es mahnt: Auch Kuh, ich, du
Sind nur des Weltengangs Furnier.

Da tröstet kaum der Flockenstrauch,
Da wärmt nicht Nacktbaums Zweiggeflirr:
Die Welt bleibt tollheitreich und wirr,
Bleibt totes Holz vor Wolkenschmauch

Für Müllers Kuh und dich, mich auch.

(das zugehörige Bild findet man hier)

Letzte Fragenund letzte Antworten

Was hält das Jahr für uns bereit?
Sorge, Not und Schüchternheit.

Was liegt vor uns, soweit man schaut?
Plage, Qual und Sauerkraut.

Wonach dürfen wir uns sehnen.
Durst und Wurst und heiße Szenen.

Worauf freuen wir uns schon?
Liebe, Sex und Explosion.

Was erwartet uns denn nun?
Regen, Segen und ein Huhn.

Womit aber ist jetzt Schluss?
Krach, Rabatz und Musenkuss.

Steht uns sonst noch was bevor?
Fischauflauf und Staatsterror.

Das klingt doch alles wunderbar!
Dann ab mit Euch ins neue Jahr.

(steht auch hier, mit einem wunderbaren Huhn-Foto:
taz-Wahrheit vom 30.12.2015)

Und selbst? Hauptsache!

Die Wade summt, es schnauft der Arm.
Es piepst der Hals, es lärmt das Knie.
Die Haare säuseln schlaff wie nie.
Das Zahnfleisch knarrzt, es brummt der Darm.

Das Becken zischt, es kracht der Schuh.
Es pfeift das Auge, knurrt das Herz.
Mein Bauch: ein stöhnend runder Scherz.
Mein Atem: säuselt Schubiduh.

Die Haut radaut. Es hurzt der Hut.
Der Kopf krawummt wie Klassenkeile.
Das Fieber fiept, es bläst das Blut.

Das Leben feilt mit feiner Feile.
Ich hör’ es wohl, mir geht’s nicht gut.
Das Ganze ist das Summen meiner Teile.