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Aus den dramatischen Werken

Vorhang.

Es ist früher Morgen, die Amsel singt (nicht die Nachtigall). Die Zeichnerin und Bäckerin Charlotte liegt in ihrem Bett und wälzt sich unruhig hin und her. Auf dem Kopfkissen sitzen der Backteufel und der Zeichenkasper, die beide vehement auf die Träumende einreden. Jeder der beiden möchte, dass Charlotte ausschließlich der eigenen Leidenschaft huldigt und die jeweils andere recht ordentlich verachtet und ablegt. Es entspinnt sich darob ein Streitgespräch, dessen verschämte, wenngleich neugierige Zeugen wir hier werden. (Dass der Backteufel und der Zeichenkasper dabei in Reimen sprechen, versteht jede, die schonmal mit zwei Seelen, ach!, in einer Brust zu tun hatte.)

Backteufel:

Zeichnen nährt nicht Mann, nicht Weib!
Lass uns klar und deutlich schnacken:
Zeichnen ist bloß Zeitvertreib!
Backen musst du, Lotte! Backen!

Zeichenkasper:

Quatsch! Das ist doch echt zu brav!
Klassefrauen schießen scharf!
Pflastern Deinen Weg auch Leichnen –
zeichnen sollst Du, Lotte, zeichnen!

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Hallo?

Hallo? Ist da jemand? Was? … Also, ich wollte nur kurz schreiben, dass es mir ziemlich egal ist, ob … da ist doch jemand! Hallo? … also, es ist mir ziemlich schnuppe, ob das hier jemand liest. Ich habe mittlerweile gelernt, … Was? Hallo? Ist das wer? Da ist doch wer!? … also ich habe ganz gut gelernt, mit der Einsamkeit zu leben … Hallo? …

Nebenwirkungen

Großvater war Steuermann auf einem Ozeanriesen, Vater ist jahrelang als Kapitän zur See gefahren. Onkel Horst ist Binnenschiffer und meine drei Brüder sind Erste Offiziere bei der Handelsmarine. Ich aber arbeite als Industriekaufmann im Landmaschinenhandel: Matrose-Intoleranz.

Dresdner Zombies

Du gehst ganz einfach nicht kaputt.
Wir legten mehrmals dich in Schutt.
Wir haben alles längst versucht,
selbst Helmut Kohl hat dich besucht!

Du feierst Auferstehungsfest
nach jedem Krieg. Dir macht nicht Pest,
nicht mal die Treuhand den Garaus.
An dir beisst man sich Zähne aus.

Du Schattenreich! Schockschwerenot!
Man kriegt dich schlechterdings nicht tot.
Kaum rummst man dir die Kirche nieder –
Zack! steht das Frauendingsbums wieder.

Zwar fluten wir dich jedes Jahr,
ertränken dich – doch sonderbar:
Du schüttelst dich und lächelst nur,
bleibst unerlöste Kreatur.

Du bist das deutsche Zombie-Zeichen
und faszinierst so deinesgleichen.
Glückstrunken torkeln die in Massen
armschlenkernd bleich durch deine Gassen.

Denn dies ist Traum jedes Verwesten:
Am Montag Walking Dead in Dresden.

Im Wirtshaus

Der Raum ist gut gefüllt. Vier Herren spielen Karten.
Der Fernseh läuft. Und auch Musik. Es riecht nach Bier.
Drei Raucher schleichen outdoorbunt bejackt zur Tür.
Am Tresen hocken zwei, die auf das Aufstehn warten.

Da plötzlich geht ein Wind – schon schweigen alle Dramen.
Im Wirtshaus steht und still die Zeit für kurze Zeit.
Trübgrau und dunkel war’s bislang. Jetzt ist’s soweit,
der Raum wird reich und hell: Es kommen Damen.

Drei an der Zahl betreten schnatternd froh die Schänke,
ihr hochoktaves Lachen kündet jäh vom Glück.
Der Herren Köpfe schwingen rum, man hört Gelenke.

Den Rauchern stockt der flache Atem vor Entzück.
Am Tresen tränt die Sehnsucht in Getränke.
Die Damen halten inne, sie betrachten kurz das Stück –

„Hoppsa! Vertan!“ und treten kichernd in die Nacht zurück.

Alternative

9 Uhr früh, im einzigen Straßenverkehrsamt des Landkreises. Unruhe am Infoschalter. Einer erregt sich über irgendetwas: Öffnungszeiten, Gebühren oder ein vergessenes Formular. Er wird laut, die Frau hinterm Tresen wird still. So weit, so erwartbar. Gähn. Aber dann horche ich noch einmal auf. Das würde mich doch schon interessieren, welches Alternativangebot der Wutbürger meint, wenn er sagt: „Dann melde ich den eben irgendwo anders an!“

Mansplaining im Vatikan

Man hört den Papst zum Weibe sagen:
„Du kannst mich gern und alles fragen.
Ich weiß als Papst und auch als Mann,
viel mehr, als sonst wer wissen kann!

Zum Beispiel übers Himmelfahr’n
und Niedrigtempraturengar’n.
Ich kläre jedes Theorem.
Passives Abseits? Kein Problem!

Frag mich ruhig auch nach Algebra,
da spreche ich ex cathedra.
Und das erklär ich sowieso
am Sonntag coram publico:

Ich kenn mich aus mit Wasserkraft
und dem, der stets das Böse schafft.
Ich gelt als Blutwunder-Experte
und dirigiere gern Konzerte

der Wiener Philharmoniker.
Als Traditions-Kanokiker
bin ich der Profi der Nation
für Wein und Transubstantation.

Die Primzahlreihe fällt mir leicht
im Beichtstuhl bin ich unerreicht.
Und bei den allerletzten Fragen
(beim Mopseln, Schnackseln, Kinderschlagen)

gelt ich als wichtigste Instanz,
genau so wie beim Tangotanz.
Und ganz das Gegenteil von dumm
bin ich in Sachen Untenrum.

Nun sag, was willst du von mir wissen?
Ich kann auch … Hmmpff! …“ – Ein dickes Kissen
taugt da dem Weibe zum Verbrechen.
Dieweil sie drückt, hört man sie sprechen:

„Nie wieder nehm ich zum Verehrer
in Zukunft einen Welterklärer.“