Neulich traf ich zufällig die Königin von Irgendwonien gemeinsam mit der Prinzessin von Irgendwannistan. Ich hatte sie lange nicht gesehen, beide waren recht gemütlich und aufgekratzt. Es ergab sich ein kleines, munteres Gespräch über dies und das und die Hoheiten machten mir so ganz den Eindruck, dass sie sich beide fest im Hier und Jetzt befanden. Ja, beinah hätten wir uns sogar miteinander verabredet, doch leider kamen wir nicht überein, wann und wo.
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Soll ’n das?!
Um mir die Aufenthalte im heimischen Café halbwegs erträglich zu gestalten, stelle ich mir gern vor, alle anderen mir unbekannten Anwesenden seien hochintelligente Wissenschaftler, Mediziner, Nobelpreisträger, Literaten und Intellektuelle. An manchen Nachmittagen gelingt den Anwesenden diese Täuschung derart überzeugend, dass ich empört aufspringe und schimpfend das Café verlasse: Ja, haben die denn alle nichts Besseres zu tun?!
Jetzt aber!
Der Sommer ist da. Und mit ihm die Sehnsucht und das Testosteron. Die Füllhörner des Lebens werden ausgeschüttet. Junge Herren trinken Bier im Freien, singen Lieder und tollen herum. Die Welt teilt aus, der Mensch steckt ein. Die Aussichten auf gepflegt-was-in-die-Fresse werden endlich wieder besser.
Es ist dann nichts mit uns geworden
Sie sprach, als ich mich just entblößte:
Das kleinste Drama ist das größte.
Auropas Apokalyptische Auguren
Ich registrier’s am Zischen hinterm Ohr:
Der Weltengrund knirrscht stärker als zuvor.
Ich fühl’s als scharfes Reissen unterm Knie:
Die Atmosphäre knistert wie noch nie.
Ich ahn’s im Rücken dunkel hochalpin:
Der Weltgeist lässt Gewitterwolken ziehn.
Ich merk’s am Herzdruck wie ein Todesstoß:
Der Untergang geht grad so richtig los.
Ich witter’s mit dem allerfeinsten Sinn:
Die Ordnung ist jetzt weg und futsch und hin.
Ich stell’s an feuchter Achselhöhle fest:
Man singt das Lied von Cholera und Pest.
Ich nehm’s mit meinem wunden Auge wahr:
Jetzt trübt sich, was bisher so rein und klar.
Und doch – ich spür’s als Druck am linken Ei:
Auch morgen sind die Griechen noch dabei.
Bei akuter Schwerness
Als Mittel gegen zuviel Schwere
gilt allgemein: geistige Leere.
Des weiteren, das weiß man wohl,
hilft prima Schnaps und Alkohol.
Auch Sonnenbrand und Sandburgbauen
ist antischwer viel zuzutrauen;
sowie dem Fußball, der Musik,
dem Sex, der Außenpolitik.
Und nicht zuletzt verschaffen Luft
das Wurstbrot und der Kaffeeduft.
Doch rat ich dir: Lass deine Finger
bei Schwerness weg vom Unglücksbringer,
der nur Ballast ist an den Gliedern
mit seiner Masse, seinen Liedern.
Den, dem nur Schwerstgewicht entkeimt –
auf den zu Recht sich gar nichts reimt,
der nicht mal taugt im Leichtgedicht –
den lass in deine Nähe nicht.
So streich aus deinem schweren Leben
den Mensch. Ihn soll’s dort niemals geben.
Alleinigkeit im Kern des Seins
ist Schwerness-Hilfe Nummer eins.
Als erste Übung raten wir:
Trenn dich vom schwersten Menschen – dir.
Vom RingenChris Taylor vs. Wilfried Dietrich, 1972
Chris hoffte auf die große Liebe.
Er wünschte so sehr Honeymoon.
Doch dann: Enttäuschung, viel zu soon.
Umarmung, Schmerz und kurz Geschiebe.
Ein Nein kassierte Chris nicht oft.
Zu klein die Kraft, zu groß sein Wollen.
Es hatte doch so schön sein sollen.
Er hatte doch so sehr gehofft:
sie hätten sich ins Ohr geschnauft,
sie hätten sich im Tanz gewiegt,
sich herzend ineinand geschmiegt,
die Locken zärtlich sich gerauft,
sich feucht mit Achselschweiß benetzt,
und über Grenzen so gewagt,
sich sanft am Ohrläppchen genagt,
den Armzug schüchtern eingesetzt,
die Hüftgelenke ausgeschert …
Wenn für einander sie entfunkt,
wär Achselwurf der Höhepunkt
und alles, was das Herz begehrt –
allein, es hat nicht sollen sein.
Denn Wilfried griff mit kühlem Hauch
dem Liebenden um dessen Bauch
(statt regelwidrig um das Bein)
dann hatte er das Ringen satt.
Chris’ Hoffnung von den schönsten Stunden
rang Wilfried nieder in Sekunden
und ward zum Kran von Schifferstadt.
The ballad of Pete and Pfingsten
Es ist im Wirtshaus Heilger Geist
die Stube voll, kein Stuhl verwaist.
Heut trifft sich hier zum Totenfest
ein Elferschock Apostelrest.
Man schweigt und trinkt. Die zwölfte Runde
zischt Petrus weg. Dann ist die Stunde,
dass er sich aufrafft stante pede
volltrunken zur Gedächtnis-Rede:
»Schon siebn Wochn isses her.
Erst war er tot – Ihr wißt schon wer –
dann wieder nich. Wir … hicks! … warn traurich …
Ganz unter uns: Ich fand das schaurich.
Doch trotzdem: Nach … burps! … Väter Sitte
versaufen wir sein Fell. Und bitte:
wir wolln, nachdem wir … börp! … gedenken,
der Leber keine Gnade schenken!«
Er hebt sein Glas. »Prost! Auf den Chif!«
Er lallt. »Momentchen … Chaf? Chuf? Chif!«
Peinliche Pause. Alle gucken.
Er erntet zehnfach Schulterzucken.
Wen meint er? Sie verstehn ihn nicht.
Da plötzlich Sturm, es blitzt ein Licht.
Man sieht am Tisch sich ängstlich an
und Geist schießt ein in alle Mann.
Volltreffer Petrus. Der steht stramm
und kräht »Heiliger Bim und Bam!«
Dann, nüchtern wie aus dem eff-eff
hebt er das Glas »Prost auf den Chef!«
Der Chef! Na klar! Der ganze Saal
flippt aus wie einst beim Abendmahl.
Man küsst sich, lacht, es wird geweint:
Der Petrus hat den Chef gemeint!
Laut kreischen alle durcheinander
und Petrus ruft ins Miteinander:
»Vergesst nicht: Was Ihr dem Geringsten …
Ach, Scheiss drauf – jetzt ist erstmal Pfingsten!«
Wie einmal alles anders gekommen war
Als mein Großvater einmal für kurze Zeit Wahlmünchner war – bevor er später in Schlesien als Reisender in Zwieback (Hultsch Zwieback, der beste Zwieback!) erst Regionalvertreter und dann sogar Assistenz-Sachbearbeiter im Hauptkontor wurde – als mein Großvater also damals den Vorsitz in der Münchner Prüfungskommision für angehende Zwieback-Vertreter innehatte, musste er im Ausbildungsjahrgang 1922 lediglich einen einzigen Prüfling ablehnen. „Seine Leistungen waren einfach zu schlecht!“, erzählte er uns später gern und immer wieder – und wirklich, er habe dem Bewerber damals die harte Wahrheit direkt ins Gesicht gesagt: „Zwieback-Verkäufer werden Sie nicht werden, junger Mann! Versuchen Sie irgendwas anderes, was bessres als den Tod finden Sie allemal!“ Der Durchgefallene spielte danach noch kurz mit dem Gedanken, seine vergeigte Prüfung anzufechten bzw. einen Marsch auf die Prüfungskommision zu organisieren. Er unterließ das dann aber aus unbekannten Gründen und so endete die Karriere als Zwiebackvertreter für Adolf Hitler noch bevor sie begonnen hatte.
Mit Paul Watzlawik über ein Sauerländer Schützenfest sinnierend:
„Man kann nicht nicht trinken.“