Ich lese beinah täglich ein Gedicht,
doch schöner werd ich davon einfach nicht.
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Für ein hier nicht anwesendes Bild
Warnung
Wenn Herren zwar nach unten wollen,
doch Treppen sie nach oben fahren –
Wenn Uhren machen, was sie sollen,
und Äste aderngleich in Scharen
sich freudig himmeleinwärts strecken –
Wenn Blau sich zart in Rosa kuschelt,
wenn Farben eine Welt belecken,
als hätte sie wer hingetuschelt –
Wenn Glanz auf allem liegt und glänzelt,
wenn Wolken sich in Himmel rammen –
Wenn so voll Lust das Auge tänzelt
und launig durch die Welt scharwenzelt –
gerät der Südpol leicht in Flammen.
Zwischendentagen
Morgens ist der Kopf mir schwer
Mittags ist das Hirn mir leer
Abends tut der Schädel weh
Wenn ich auf den Morgen seh
Intime Szene #23
„Ich bin einsam.“, spricht sehr leise
in sein Glas der Wirtschaftswaise.
Haiku für Richard B.
Wir vögeln wie zwei
Zeilen aus einem Lied von
Barry Manilow
Von der Erfindung der Arten
Wenn ich das so bei Licht beseh:
den Mensch, die Wurst, den DFB –
was unsre Welt besonders macht,
hat klar sich einer ausgedacht.
Das macht sich ja nicht von allein:
die Liebe und das Einsamsein.
Auch existiert nicht einfach so
der Straps, der Mops, das Haferstroh.
Glaubt wirklich jemand, dass das geht,
dass eins aus anderem entsteht;
dass Päpste und Helene Fischer
erblühten im Vererbungsmischer?
Nein, nein, das muss schon jemand wollen!
Giraffen, Cappuccino, Schollen,
Bikini – schlicht zu kompliziert,
als dass das einfach existiert.
Auch Zungenkuss und Koitus
sind was, was wer erfinden muss.
Die Katze hat ein viertes Bein –
das kann ja kaum ein Zufall sein!
Und wär nicht jemand stark gewillt,
gäb’s doch nicht so was wie die Bild
und Ebola und Krimradau –
IS, die ganze Tagesschau!
Das kann nicht Zeit, nicht Progression,
schon gar nicht kann’s Evolution.
Da braucht es einen echten Könner
und wahren Sugardaddy-Gönner.
So gut wie er kann es im Kosmos keiner:
Ein Hoch auf den Intelligent Designer!
Mensch, wir haben unsja lange nicht gesehen
Sag, weißt du noch, wie wir verliebt und leicht
rotzfrech in jedes offne Bettchen hüpften
und arglos wie zwei Fischlein ineinander schlüpften?
Sag, weißt du noch, wie unverfroren seicht
wir die bekeuchten, warmen Laken lüpften
und wie es war, wenn gänzlich wir erweicht
im Hahnenschrei – da warn wir unerreicht! –
gemeinsam uns das Nichts zum großen Einmaleins verknüpften …
Du schüttelst Deinen Kopf? Wie, bitte sehr?
Was das jetzt soll? Was? Wieso Kinderein?!
Das war so nicht? Und viel zu lang schon her?
Klar war das so! Da schwör ich Stein und Bein!
Hä? Du erinnerst dich nicht mehr?
Wie wir …? Und dass …?! Das kann ja wohl nicht sein!
Was? Du musst los? Der Rush-Hour-Verkehr …?
Ja, tschüssi! Dann … erinner ich mich halt allein …
Was ich bisher von der Physik verstanden habe (Fragment)
Jetzt fallen wieder Haare auf die frisch gewischten Fliesen
Der Spülberg wächst gleich nach dem Spülen hoch wie nie
Schon blühen wieder Blumen auf den grad gemähten Wiesen
Das Universum strebt wie vollbekloppt nach Entropie
Ein jedes Teilchen drängt vom andern weitestmöglich fort
Das Chaos wird sekündlich schlimm und immer schlimmer
Nichts bleibt und niemals nicht an seinem angestammten Ort
Das kann man sehn an meinen Fraungeschichten und im Arbeitszimmer
Im Frühwald
Die Bäume stehen schlummernd in den Moosen.
Es ruht der See, die Luft ist schläfrig lau.
Ein jedes Grün verdämmert sich in Grau.
Die Farne tragen Tau-Pyjamahosen.
Der Nebel liegt noch bettwarm auf den Wegen.
Die Wege liegen wirr umarmt verschlungen.
Frau Wildschwein hat sich Ausschlaf ausbedungen.
Herr Hase mag so früh sich nicht bewegen.
Der Dachs beschläft die Dächsin in der Erde.
Die Füchsin träumt sich nackt im Hühnerhaus.
Freund Eule muss zum dritten Mal kurz raus
und träumt danach vom wilden Ritt zu Pferde.
Frau Bärin ratzt auf manikürten Tatzen.
Herr Marder macht nicht viel Brimborium
und dreht sich nach dem Wecken nochmal rum
auf flauschig weichen Marderhaarmatratzen.
Man schnarcht und sägt in Försters Meisenkästen.
Dem Nashorn klebt der Schlaf das Auge zu.
Kein Sänger singt. Nichts stört die Morgenruh.
Die Amseln hängen tiefentspannt an Ästen.
Doch horch! Da kommt ein Joggersmann daher,
der will auf schönstes Walderleben hoffen.
Das wird um diese Uhrzeit aber schwer:
So früh hat doch der Wald noch gar nicht offen!
Anlässlich einer verspäteten Geburtstagserinnerung im Hotel Adlon
Heute fühl ich mich verletzlich:
Älterwerden ist entsetzlich.
Gestern war ich noch ganz leicht,
jung und schön und unerreicht.
Heute fühl ich mich beschwert:
Hässlichwerden ist verkehrt.
Gestern war noch alles klar,
überhaupt und ganz und gar.
Heute bleibt nur: Minibar!