Sibylles Traum
Wo gelbe Busse nach dem Überfall versteckt verschnaufen
und sich aus Angst vor der Polente staub’ges Haupthaar raufen;
Wo, abgestellt von miesen und sinistren Kerlen,
sich Wägen reihen wie sonst nur an dünnen Schnüren Perlen;
Wo sich die Sonne unerkannt inmitten hellster Tarnung
nur vorsichtig hineintraut, wegen Schlimmheits-Warnung;
Wo zwischen Häusern grad noch Platz für einen Baum war
– da suchte sie ihr Glück mit dem Frisurenladen „Traumhaar“
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Für ein hier nicht anwesendes Bild
Lied der Steinmetze
Stein auf Stein, Eck auf Eck,
stapeln wir den Sandsteindreck.
Aufzurichten, unser Motto,
hier den lieben Onkel Otto.
Dass nach vielen stolzen Jahren
Neffen, Nichten hierherfahren
und sich fotofieren lassen –
einzeln, Pärchen und als Klassen.
Ist schon eine Reise wert:
Otto mit dem langen Schwert!
Otto mit dem dicken Bart!
Rot und groß und dauerhart.
Ach, wie wird man später eilen,
kurz mit Otto zu verweilen.
Aufgeregt wie Aprikose
trägt man dazu Sandsteinhose.
Einer dieser Tage
Der Kopf zu klein. Das Hemd zu groß.
Das Bein zu lang. Zu dick der Bauch.
Die Haut zu dünn. Die Nerven auch.
Mir passt heut nichts. Was mach ich bloß?
Die Luft zu nass. Der Kuss zu fein.
Die Wurst zu weich. Das Brot zu rau.
Das Rot zu gelb. Zu grün das Blau.
Das kann doch so nicht richtig sein?
Die Lieb zu nah. Das Glück zu fern.
Das Bett zu warm. Der Schnaps zu kalt.
Die Katz zu jung. Die Frau zu alt.
Hat mich die Welt denn heut nicht gern?
Das Licht zu hell. Zu leis der Krach.
Der Arm zu kurz. Das Haupt zu kahl.
Der Weg zu grad. Zu tief das Tal.
Ist es zu stark? Bin ich zu schwach?
Das Hemd zu klein. Der Kopf zu groß.
Der Tag durchwacht. Die Nacht verpennt.
Ich bin doch sonst indifferent –
was ist denn heut bloß mit mir los?
Dieser Tage
Am Himmel steht sehr hoch Il Sole.
Wer hat ihn dort aufgehängt,
der mit heißer Gloriole
uns im ICE bedrängt!?
Klatschnass klebt das Hemd am Rücken.
Gegenüber mir, oh Graus,
seh ich Frau das Deo zücken.
Nachbar packt die Füße aus.
Ich zerfließe unter Sorgen
über Wohlgeruch und Charme.
Sie jedoch, als gäbs kein Morgen,
aerosolt sich unterm Arm.
Industrielimetten wehen
deoscharf herüber – und
Nachbar lüftet seine Zehen.
Schwefelgelber Lebensschrund.
Dick auf dickem Schweißgeruch
muss ich nun Aromen schnorcheln,
die des Sommers stiller Fluch.
Nachbars Fuß gemahnt an Morcheln.
Schnaufend gebe ich mich hin –
lern ich doch, ganz ohne Frage,
dass auch ich ein Mensch nur bin
unter Menschen, dieser Tage.
Für ein hier nicht anwesendes Bild
Wo der Sinn bloß aufgebauscht,
baumgefällig blattdurchrauscht,
wo sich Fug mit Unfug tauscht –
hat der Künstler kurz gelauscht,
sich am Weltengeist berauscht
und schwarzweiß von uns geplauscht:
Menschen, wundersam banal,
zeigt er uns horizontal.
Erwachsenwerden
Habe jahrelang gelitten
Habe mich zum Horst gemacht
Habe mich für nix zerstritten
Nächte tief im Forst verbracht
Bin verzweifelt an den Welten
War nah dran, mich zu entleiben
Weinte unter Himmelszelten
Ließ sogar das Trinken bleiben
Ließ mir Sehnsucht tätowieren
Malte mir die Haare bunt
Trauerte auf allen Vieren
Kam so auf den letzten Hund
Wurde ausgelacht, verkannt
Ward bespuckt und übersehn
Bin vor jede Wand gerannt
Ließ mich gehn und ließ mich stehn
Doch von heute an, ich schwöre
Wird das anders, juppheidu
Weiß jetzt, wo ich hingehöre
Bin jetzt in der CDU
Für ein hier nicht anwesendes Bild
Abschließendes zum Thema
für Else Lasker-Schüler
Indigo steht schon der Himmel
über stolzem Kirchenpimmel,
mahnend wächst ein Blümelein
scharf ins hohe Bild hinein,
auch das Licht steht schon leicht flach,
überhaupt: Fast Weltenkrach!,
als der Schönste seiner Zunft
die Laterne der Vernunft
schwenkt und hell erleuchtend hält,
und also der ganzen Welt
zeigt, wie’s ist – ich ahnt es wohl –:
Engel sind von hinten hohl.
Wochenende
Zärtlich flirrt der Amsel Kecken
Sonne streicht durch hohes Grün
Lasse die Gedanken zieh’n
Welt ist allerschönster Flecken
– scheppernd schmettert grell ein Becken.
Dunkles ist nun wieder hell
Hier auf frischgestrich’ner Wiese
Unter milchigblauer Brise
Ist nichts wichtig, nichts ist schnell
– Piccolo fiept zahnschmerzgrell
Menschheits allerbeste Laune
Trägt mich gottlos leicht und klar
Weit in schönstes Trallala
Fern des Lebens Grundgeraune
– mürrisch muht eine Posaune
Sommerwarmer Lustrabauke
Schnurre ich in Tempratur
Löse meiner Fesseln Schnur
Weiß mich eins mit Lurch und Rauke
– stampfend pumpert eine Pauke
Tief entspannte Menschpastete
Lasse ich das Sorgen sein
Hüll’ mich sanft und samten ein
In die Sommertagstapete.
– hustend blecht da die Trompete
Gänzlich weich wird mein Profil
Ich verlier’ Kontur und Halt
Werde eins mit Welt und Wald
Wünsche nichts und will nicht viel
– klirrend klimpert Glockenspiel
Sinnend schau ich die Palette
Aller Grüns in Baum und Busch
Pfeife auf des Lebens Pfusch
Les’ Naturens Lustsonette
– knarzend kracht die Klarinette
Prall ist mein Gefühlskarton
Leichtes Sommerdieb-Gepäck
Madengleich ruh’ ich im Speck
Lutsch’ des Lebens Lutschbonbon
– Trommel rührt im Krachbeton
Es ist Schützenfest-Saison.
Für ein hier nicht anwesendes Bild
Fühlst du klein dich wie ein Zwerg,
hat das Leben dich geschafft,
hast du wieder nichts gerafft –
hilft dir nicht das Heizkraftwerk,
hilft dir nicht die Standlaterne,
hilft dir nicht das Ofenrohr,
hilft dir nicht der Autochor,
hilft dir nicht die Postmoderne.
Suchst Du Hilfe dieser Tage,
zu erleichtern dein Beschwer:
Rettung bringt, gar keine Frage,
die Berliner Feuerwehr.
Strand. Damals. Auto.
Was ist denn das da oben? Sterne?
Was zuckt denn da am Himmel? Blitze?
Wer steht denn dort am Waldrand? Kitze?
Wo schaust du wieder hin jetzt? Ferne?
Was riecht denn hier so gut? Lakritze?
Wo kommst du nochmal her? Aus Herne?
Wie tust du es am liebsten? Gerne?
Was magst du mehr als Vögeln? Witze?
Nun mach dich doch mal locker! Bitte!
Jetzt lass das doch mal bleiben! Ruhe!
Ich hör das doch ganz deutlich! Schritte!
Was hab ich da im Rücken? Schuhe!
Was ist denn da so klebrig? Quitte!
Was das hier alles soll? Getue!