Eine Art Programm

Eine Viertelstunde alles runterklappern, was in deinem Kopf ist. Jeden Tag. Nur die eine Viertelstunde, nicht mehr und nicht weniger. Eine Art geistiger Hygiene, feucht durchwischen im Hirnkasten. Einfach alles hinschreiben.

Sprünge riskieren. Die sind ohnehin am besten und bringen einen weiter. Weeeeiter! Ein Sprung bringt Dich weiter als 10 Schritte, wußte schon Bob Beamon.

Zum Beispiel die Geschichte mit der Frau, die aus ihrer Ehe und ihrem Leben wegfährt, gar nicht weit, sondern quasi um die Ecke und die dort den Tankwart trifft, mit dem sie den Rest der Geschichte in der Küche sitzt und sich über das Leben und die gemachten Vorstellungen unterhält. Und darüber, was sie so denken, die beiden, und ohne jede große Entwicklung und Romanze machen sich beide einfach ein bißchen leer voreinander und es passiert nichts und mit wem kann man sowas schon machen?

Draußen fahren Autos, weil es ist ja Fußgängerzone. Bis 11 Uhr darf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, da durchfahren. Dann ist Pause und zwischen 18 und 19 Uhr geben dann alle nochmal Gas. Sonst ist der Tag irgendwie nicht richtig zuende gebracht.

Erst war es kühl und bedeckt, jetzt reißt alles auf, als wäre die Welt voll schlechter Luft und die Sonne kommt durch. Ich finde das nicht nur schön, denn diese jugendlich protzenden Sonnenstrahlen erinnern mich immer daran: Könntest auch mal wieder Fensterputzen, Alter. Gemach, gemach, mach ich. Aber erst wenn ich gespült habe und vorher muß ich noch die Wäsche aufhängen und alles. Also: erstmal in Ruhe diesen Satz hinschreiben.

In Restaurationen #02

Ich sage dazu nichts mehr, sagte die Frau, bevor sie in der nächsten Viertelstunde soviel dazu sagte, dass wir alle erfuhren, wie angekotzt sie ist von der alten Dame, die dauernd vom Sterben redet, aber immer noch regelmäßig bei der Nachbarin die Wohnung putzt und die unverschämterweise sehr komplizierte Gerichte für Ihren Hund kocht, stell dir vor, erst erschreckt sie alle mit haarsträubenden Geschichten ihrer Krankheit und dem bevorstehenden Tod und dann kommt die doch alle 2 Wochen in den Salon und lässt sich die Haare machen.

Einer quasselt die vor ihm am Tisch sitzende Frau unaufhaltsam voll, selbstgefälliges Salbadern, meine Prüfung, meine Noten, meine Mutter, mein Dies und mein Das, um nach unendlichen Minuten unvermittelt aufzustehen und mit einem letzten Wort das Café zu verlassen.

Ein Mann liest in der „Touren fahren“. Vorhin hat er mit einer vertrauten Person telefoniert, sehr ruhig und ernst. Er komme soeben aus dem Krankenhaus, es gebe ein schmales Zeitfenster, es komme nun darauf an, er sei froh den früheren Zug reserviert zu haben. Wenn er da sei, in etwa zweieinhalb Stunden, benötige er ungefähr eine Dreiviertelstunde, um die Situation und die Aussagen der Fachleute zu erläutern. Dann ist es an uns, eine Entscheidung zu treffen.

In Restaurationen #01

Der Mann, der seinen triefenden Regenschirm mitten im Café ausschüttelt, ist wenig später so undistanziert, sich derart als Dritter an den Zweiertisch neben mich zu setzen, dass wir nun beide nass sind.

Neben mir haben zwei was zu besprechen. Einer mit Manschetten, einer ohne. Der mit Manschetten fordert erstens, zweitens, drittens. Er guckt am Gegenüber vorbei aus dem Fenster. Viertens. Der ohne Manschetten ist geknickt. Er sucht den Blick des anderen und denkt sich eine abzulehnende Alternative nach der anderen aus.

Vertreter. Ihr Leben ist Labern, ihre Welt ist der Wirtshaustisch. Zwei rheinische Arschriesen, die in Kneipenradiolautstärke den Gastraum beschallen: Austern, Weinstöcke, die Stare fallen ein, die Tochter vom verstorbenen Bürgermeister, Renate war mit dem Kleinen im Oktober allein dort, die Esel sind alle tot, ja gut, klar, alles schließt aneinander an, alles gebiert sich aus dem Vorhergesagten, alles ist gleich: gleich laut, gleich unverbunden, gleich langweilig.

Ein amerikanischer Mann erklärt seiner Frau die Speisekarte. Er hat keine Ahnung, was die Worte bedeuten, die er vorliest. Er zuckt mit den Achseln. Mit der Zeit werden Mann und Frau zornig. Sie verstehen nicht. Die Kragen werden enger. Die Luft wird heiß.
Kurz bevor die beiden dem Café den Krieg erklären, mit dem gesamten Arsenal des Verfügbaren, werden sie von der Kellnerin beruhigt, die eine Speisekarte in englischer Sprache bringt. Jetzt aber! Von nun an wird viel gelacht. Die Zivilisation ist ein Café.