Vom Schreibanlaß

Das ist natürlich noch kein Anlaß für eine Geschichte, dass man nach schwerster Trinkerei in einem Hotel davon geträumt hat, man sei nachts aufgestanden, aus dem Zimmer getreten und sodann vollkommen verloren gewesen, weil hinter einem die Zimmertür ins Schloß gefallen sei und man auch schon gar nicht mehr gewußt habe, welche Tür die richtige sein möge, und also einfach auf Verdacht mal an vielen verschiedenen Türen erfolglos geklopft habe; dabei mußte man doch so dringend mal pinkeln und habe das dann kurzerhand auf dem Hoteldach erledigt, dabei mit einer Hand die Notausgangstür offen haltend, während man barfuß auf nassem Kies sich erleichtert und alsdann den Entschluß gefaßt habe, trotz aller Scham jetzt zum Nachtportier zu schleichen, um eine Ersatzschlüsselkarte zu erbitten; sich also traumwandlerisch mit dem Aufzug nach unten begeben habe, direkt gegenüber der Rezeption jedoch aus lauter Panik im offenen Aufzug stehen geblieben und zur Beruhigung erst mal wieder nach oben gefahren sei, um schließlich festzustellen, dass es wohl doch keinen anderen Ausweg gebe, und man also kurz nach dieser ersten Erscheinung ein zweites Mal vor dem Nachtportier gestanden sei, der nach knapper Erklärung ohne Probleme eine neue Schlüsselkarte ausgestellt habe. Natürlich ist das auch dann noch kein Anlaß für eine Geschichte, wenn man kopfschwer aufschreckend im Hotelbett erwacht und die Bilder dieses Traums noch sehr real vor Augen hat. Ein Schreibanlaß ergibt sich allerdings zweifellos, wenn man nach langem Duschen und Herumstolpern sowie dem Zusammenklauben von Kleidung, Necessaire, Taschen und allerlei Dingen beim Verlassen des Zimmers zur Kenntnis nehmen muß, dass auf dem kleinen Schreibtisch neben der Schlüsselkarte noch eine Ersatzschlüsselkarte liegt.

Ratschläge

„5 Jahre Knast ist immer Scheisse!“ Das ist natürlich ein Satz, der meine Aufmerksamkeit bekommt. Ich sehe mich um: Vier Herren, allesamt etwas abgerissen, sitzen da am Nebentisch beim Bier zusammen und erzählen sich was. Zwei von ihnen, darunter der Wortführer, sind ausnehmend wollig weißbehaart; sie tragen feinste Perückenkunst aus einer Zeit, als man für Hildegard Knefs Neuerscheinungen auf Vinyl noch vor dem Kaufmannsladen Schlange stand. Ein dritter tränt mit strahlendstem Blick summend vor sich hin; ausgestattet mit einer eindrucksvollen Falsett-Stimme, für die Landadelige im barocken England sicherlich getötet hätten. Der vierte, ein eher unscheinbares schmales Kerlchen, ist für die Pfand-Laufdienste zwischen ihrem McDonalds-Tisch und dem Bahnhofskiosk zuständig. In lockerer Folge spulen die Herren ihre Geschichten ab – vom doppelten Genickbruck des Gegners dank jahrelangem Kampfkunsttraining, von verschobenen Boxkämpfen in Thailand, von wie-ich-in-Brasilien-vier-Straßenräuber-in-die-Flucht-geschlagen-habe, und natürlich vom ewig blondgelockten Weib, dass „die pure Sünde, glaubste?!“ war. Als der Wortführer die gleichzeitig stattfindenden Preisverhandlungen über ein raffiniertes Teppichmesser mit den Worten „Das ist besser wie neu!“ belebt, um sogleich ansatzlos einen weiteren Erzählstrang zu beginnen „Hör mal zu. Ich sag dir, wenn du dir Koks auf die Eichel streust, …“ , muss ich leider, leider zum Zug, greife meine Reisetasche und lasse dem Unscheinbaren der Viererbande meine Pfandflasche stehen.

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Voll Spannung knistert hier die Luft.
Ganz Altdorf hält den Atem an.
Das Herz im Hals schlägt Frau und Mann.
Man sieht den Bub schon in der Gruft.

Der Vater legt die Armbrust an.
Kurz hat er noch das Kind geknufft,
dann zielt er zwinkernd ausgebufft.
Dem Filius droht der Sensenmann.

Dies ist sein Ende, zweifelsfrei.
So löst sich die Situation:
ein Mann, ein Wort – ein Schuss, ein Schrei.

Dann Stille. Dies ist Vaters Lohn:
Des Gesslers Spaß ist rasch vorbei
und – Apfel lebt, fort ist der Sohn.

(Hier geht’s zum zugehörigen Bild)

Wunderkind

Als Werner mit 9 Jahren bereits mehr als passabel Trompete spielen konnte, kam es zu einer Begegnung, die sein Leben verändern sollte: Seine Eltern ließen ihn einem Musikmanager vorspielen. Der war vom Fleck weg begeistert und man begann umgehend aussichtsreiche Verhandlungen. Auf die Frage, wie denn die Eltern den notwendigen Geldbetrag zur Vorfinanzierung der ersten Plattenaufnahme und damit dem Start der als fraglos sicher geltenden Karriere ihres Sohnes beizubringen gedachten, hatten sie nach einem kurzen Moment der Ratlosigkeit die rettende Idee: Sie verkauften Werners Trompete. Er ist dann später Installateur geworden.

Glück im Unglück

Nachdem neulich in Paris bei einem groß angelegten Einbruch der berühmte Urmeter aus seinem Stahlschrank entwendet wurde (aufgeschweißt) und dabei auch die komplett unberühmte Urminute Schaden genommen hatte (runtergefallen), entdeckte man glücklicherweise in den Vernehmungsprotokollen der befragten Wachleute die als verschollen geglaubte Schrecksekunde (ca. 1/3 Urminute) sowie zwischen den Zeilen die mysteriöse, der Wissenschaft bislang nur theoretisch bekannte, Ejaculatio praecox (ca. 1/4 Schrecksekunde).