Einer dieser Tage

Der Kopf zu klein. Das Hemd zu groß.
Das Bein zu lang. Zu dick der Bauch.
Die Haut zu dünn. Die Nerven auch.
Mir passt heut nichts. Was mach ich bloß?

Die Luft zu nass. Der Kuss zu fein.
Die Wurst zu weich. Das Brot zu rau.
Das Rot zu gelb. Zu grün das Blau.
Das kann doch so nicht richtig sein?

Die Lieb zu nah. Das Glück zu fern.
Das Bett zu warm. Der Schnaps zu kalt.
Die Katz zu jung. Die Frau zu alt.
Hat mich die Welt denn heut nicht gern?

Das Licht zu hell. Zu leis der Krach.
Der Arm zu kurz. Das Haupt zu kahl.
Der Weg zu grad. Zu tief das Tal.
Ist es zu stark? Bin ich zu schwach?

Das Hemd zu klein. Der Kopf zu groß.
Der Tag durchwacht. Die Nacht verpennt.
Ich bin doch sonst indifferent –
was ist denn heut bloß mit mir los?

Dieser Tage

Am Himmel steht sehr hoch Il Sole.
Wer hat ihn dort aufgehängt,
der mit heißer Gloriole
uns im ICE bedrängt!?

Klatschnass klebt das Hemd am Rücken.
Gegenüber mir, oh Graus,
seh ich Frau das Deo zücken.
Nachbar packt die Füße aus.

Ich zerfließe unter Sorgen
über Wohlgeruch und Charme.
Sie jedoch, als gäbs kein Morgen,
aerosolt sich unterm Arm.

Industrielimetten wehen
deoscharf herüber – und
Nachbar lüftet seine Zehen.
Schwefelgelber Lebensschrund.

Dick auf dickem Schweißgeruch
muss ich nun Aromen schnorcheln,
die des Sommers stiller Fluch.
Nachbars Fuß gemahnt an Morcheln.

Schnaufend gebe ich mich hin –
lern ich doch, ganz ohne Frage,
dass auch ich ein Mensch nur bin
unter Menschen, dieser Tage.

Erwachsenwerden

Habe jahrelang gelitten
Habe mich zum Horst gemacht
Habe mich für nix zerstritten
Nächte tief im Forst verbracht

Bin verzweifelt an den Welten
War nah dran, mich zu entleiben
Weinte unter Himmelszelten
Ließ sogar das Trinken bleiben

Ließ mir Sehnsucht tätowieren
Malte mir die Haare bunt
Trauerte auf allen Vieren
Kam so auf den letzten Hund

Wurde ausgelacht, verkannt
Ward bespuckt und übersehn
Bin vor jede Wand gerannt
Ließ mich gehn und ließ mich stehn

Doch von heute an, ich schwöre
Wird das anders, juppheidu
Weiß jetzt, wo ich hingehöre
Bin jetzt in der CDU

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Abschließendes zum Thema
für Else Lasker-Schüler

Indigo steht schon der Himmel
über stolzem Kirchenpimmel,
mahnend wächst ein Blümelein
scharf ins hohe Bild hinein,

auch das Licht steht schon leicht flach,
überhaupt: Fast Weltenkrach!,
als der Schönste seiner Zunft
die Laterne der Vernunft

schwenkt und hell erleuchtend hält,
und also der ganzen Welt
zeigt, wie’s ist – ich ahnt es wohl –:
Engel sind von hinten hohl.

(das zugehörige Bild findet man hier)