Glückstag

Plötzlich dann, wie ausgewechselt,
steht er glücklich rum im Leben.
Dabei hatte er doch eben
noch am Unglück rumgedrechselt.

Und jetzt dieses Wohlgeschick!
Plötzlich diese große Weite!
Grüßend tritt er an die Seite,
lächelnd grüßt die Welt zurück.

So geht’s also auch – bescheiden
denkt er: Dass ich das erlebe!
„Na, wie wär’s denn mit uns beiden?“,

spricht zu ihm das Weltgewebe.
„Gern!“ Und bis zum nächsten Leiden
hängt das Unglück in der Schwebe.

Wenn sich das WIR entscheidet

Es lebt das allerletzte WIR
ja als Savannen-Einzeltier
im letzten Zentrum der Moderne
bei Castrop-Rauxel neben Herne.

Das WIR ist eine bunte Mischung
aus Huhn und Reh. Und dank Verfischung
hat es ganz norddeutsch auch drei Flossen
und gibt sich gern mal weltverdrossen.

Es fremdelt und es einzelgeht,
weil’s niemand gibt, der es versteht.
So streift es tranig und allein
durchs Land, schaut nie bei Freunden rein,

trinkt nie in Wohnzimmern Kaffee,
und spricht nie Klartext. Tut’s auch weh:
Das WIR ist geistig ziemlich lau
und insgesamt ne dumme Sau.

Nur wenn es losgeht mit der Brunft
versucht’s das Dummtier mit Vernunft.
Entscheidet sich als Letztinstanzler
zur Paarungszeit: WIR werden Kanzler.

Jedoch, ihm fehlt der Gegenpart –
ist’s doch das letzte seiner Art.
Da weint das WIR, und schrecklich weh
tut’s auch der Tante SPD.

Da kann das WIR es lang versuchen.
So wird’s nichts. Leider. Pustekuchen.

FÜR EIN HIER NICHT ANWESENDES BILD

Das Türblatt ist kaum mehr als eine Raute
Ein doppelt Schloss schützt eisern jenen Bau
Des Nebels Dunst erreicht schon den Verhau
Im Bild hier herrscht rein menschenmäßig Flaute

Von irgendwo klingt leis verspielt „Miau“
Es rührt ans feierabendlich Vertraute
Zwei Bier, dann schießt die Einsamkeit ins Kraute
Der Tag rutscht ab, die Luft wird blass und lau

Wer kann, ergänzt es zum Sonett.

Das zugehörige Bild gibt’s hier.

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Der Journalist schraubte den Graufilter vors Objektiv, zog ein letztes mal kurz an seinem viel zu weit abgerauchten Glimmstengel und startete den letzten Versuch, das alte 1976er Siegerehrungsbild im Bilderrahmen an der Wand zu fotografieren. Diesmal musste es klappen. Er hielt kurz den verraucht riechenden Atem an und konzentrierte sich. Aus irgendeinem Grund fiel ihm dabei seine Mutter ein. Egal. Auf dem Film gab es nur noch ein einziges unbelichtetes Negativ, seine letzte Möglichkeit. Sein Schnurrbart zuckte, während er noch einmal nachfokussierte … Klick! Scheisse, schon wieder verrissen, wieder nur dieser Blumenstrauß. 36mal das gleiche. Fuck! So konnte er seinem Chefredakteur nicht unter die Augen treten. Er drückte den Zigarettenstummel in den Aschenbecher. Und jetzt?

Das zugehörige Bild gibt’s hier.