An apple a day
So wie der Apfel, wenn er mal geschält,
schnell Scheisse aussieht, irgendwie nicht gut,
ist dies Gedicht. Weil es gar nichts erzählt
und also komplett epikfrei so tut
als seis eins, nur weil es sich hinten reimt
und Zeilen hat, die unternander stehn
und zueinander passen, mal besser und mal lustloser verleimt.
Es sagt sich ganz brav auf – und kann dann wieder gehn.
willst du mir vielleicht erstmal erzählen
Da interviewt einer seit Jahren schon Menschen, führt Gespräche, stellt Fragen, lässt sich berichten, erzählt. Er beginnt, mit diesem Material zu arbeiten und die Sprache hinterlässt dabei so unterschiedliche Spuren: in MP3-Speichern, auf CD-ROMs, als Luftschwingung, als synaptische Plastizität, auf großgefalteten Papierbögen, als typografische Notizen auf Postkarten. Er schafft und sucht und untersucht diese Zustände und zeigt her, was ihm damit möglich ist. Und es wird.
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Street Photography 02
Da gibt es die einen:
Der Mann führt die Frau aus, die Frau ihre Brille.
Er bleibt zum Gespräch stehen, sie etwas dahinter
und bleckt ihre Zähne. Er ist es, der redet,
sie schweigt hinter Lächeln. Dann dreht er sich um
und nimmt sie brav mit.
Da gibt es die andern:
Sie gehn beieinander, verwoben die Händchen,
im schlendernden Schlappgang. Nicht er, sondern beide
schaun achtsam ein Haus an. Sie sehen nicht gleich aus,
das sieht ihnen ähnlich. Sie holen sich Kuchen
und gehn dann ums Eck.
Da gibt es die dritten:
Die sitzen alleine und schaun auf die andern
und sehen sich an.
Silver Surfer
Winterabend
Die Frau geht alleine vom Tanzfest nach Hause.
Der Mann schaut vom Fenster voll Sehnsucht ihr nach.
Das ging in die Hose. Die ganze große Sause
war das nicht geworden. Verlustreiche Schmach.
Die Frau geht im Schnee, schon ganz nass sind die Schuhe.
Ihr ist viel zu kalt. Besser als viel zu warm,
wie eben beim Tanz mit dem Mann. Sein Getue
das war ihr zu wild, zu stark fasste sein Arm.
Der Mann steht noch dort, die Musik spielt noch weiter.
Er grämt nicht mehr, seine Gedanken sind müd.
Das Fenster ist ihm wie ein Spiegel. Fast heiter
trinkt er noch ein Spätbier, bevor er verglüht.
Die Frau legt die Schlüssel auf ihre Kommode,
streift Jacke ab, Schuhe, den Abend und das
Geflirte des Tanzfests, die Mann-Episode.
Sie öffnet ihr Haarband, sie lächelt sich was.
Der Mann rollt die Ärmel vom Hemd wieder runter,
er greift sich sein Jackstück, nickt rum, und er geht
im Dunkel nach Hause, wird langsam ganz munter.
Die Sehnsucht verliert sich, vom Winter verweht.
Treue. Punkt.
Street Photography 01
Sie gleitet durch die Stadt mit leisem Ticken.
Ihr Lachen schneidet scharf wie ein Florett.
Sie schwirrt herum mit Hand, Gesicht und Blicken –
ein wunderschönes Mädchen mit Tourette.
Sie geht zusammen mit fünf andren Mädchen.
Ein Shoppingnachmittag von A bis Zett.
Sie hampelt sich durch Shops und kleine Lädchen –
ein wunderschönes Mädchen mit Tourette.
Sie geht nicht gradeaus, sie geht in Schleifen.
Die Arme zucken manchmal im Duett.
Die Welt ist dazu da, sie zu umgreifen –
ein wunderschönes Mädchen mit Tourette.
Ich bleibe stehn mit offnem Mund und staune.
Erwische mich beim Denken: Lazarett.
Sie geht an mir vorbei mit guter Laune –
das wunderschöne Mädchen mit Tourette.
Frischer Fisch
Am Sonntag
Ein Gang auf der Chaussee
ein Morgen wie ein Jahr
ein Stündchen im Café
ein Herz voll Algebra
Ein Tässchen heißer Tee
ein Tag, noch völlig klar
ein Blättern im Essay
ein Märchen dick wie Haar
Ein wenig vorm PC
ein Rot wie Paprika
ein Blitz, eine Idee
ein Takt Eroica
Ein kühler Wind vom See
ein Abendrot beinah
ein Regenguss, herrje
ein Glanz und Gloria
Ein Blick ins Separee
ein Bett wie Afrika
ein Kuss noch für die Fee
ein Lidschlag, und ich sah