Du Land der Dichter und der Schlichter,
du kennst nur Henker und Verschenker.
To be continued
Mode geht seltsame Wege.
Die Saison stellt Regeln auf.
Geschmäcker kommen ins Gehege.
Und fashion victims häufen sich zuhauf.
Fahle Buntheit allerorten.
Das Gegenteil von Augenschmaus.
Der Himmel öffnet seine Pforten
und lässt statt Regen dumme Farben aus.
Zum Beispiel die von altem Käse.
Und die der Avocadonuss.
Sieht fast wie Lehm aus, wie Gewese.
Farbtechnisch bleibt der Mensch Homunkulus.
…
Memento mori
Sie wollte einen Schotten frei’n
und wie die Hottentoten sein
im Leben und im Bett
Der Schotte war ein bleicher Mann
der dort nicht und auch dort nichts kann
so lebten sie dann eben
Doch träumte sie tief in sich drin
„Was für ne Wilde ich doch bin
im Leben und im Bett“
Sie fügte sich in dies und das
sie fragte nicht oft, wie und was
so blieb’s ihr ganzes Leben
Ich sehe was, was du nicht siehst
Wußten Sie schon, dass wir Autoren unseren Lesern stets um einiges voraus sind? Bei manchen Kollegen sind es Jahre, bei anderen ein paar Tage. Ich zum Beispiel schaffe es erst für wenige Sekunden – aber das ist auch nicht schlecht. So weiß ich zum Beispiel schon jetzt, dass Sie sich gleich ein wenig wundern werden, wenn dieser Text einfach so mitten im Satz abbrich
To begin at the beginning:
Sein Großvater mütterlicherseits hatte in seinem Leben jede Menge Versprechungen gemacht und alle gehalten. Als gesicherte Versprechen, in der Familiengeschichte fest verankert, gelten die folgenden:
Das Eheversprechen, das er seiner Verlobten 1932 gab.
Die vielen, oftmals wiederholten Versprechen, zurückzukommen, ihre Liebe und die Familie nicht zu verraten, wenn er losfuhr als Reisender in Kurzwaren und Holt-Zwieback.
Das Versprechen zur SS, sein Eid, der ihn sechs Jahre binden sollte.
Danach die Versprechen den Frauen gegenüber: zunächst der einen, auf deren Hof er nach dem Krieg unterkam für ein paar Jahreszeiten und dann das zweite, grundsätzliche, gegenüber seiner Frau: zurückzukehren zu ihr und den Kindern, was dann noch einige Monate dauern sollte.
Das Versprechen, das er sich selbst gab: nochmal von vorne anzufangen, nach Krieg, nach SS, nach den Verbrechen, dem Entkommen, nach dem Fortsein und der Abwesenheit von allem anderen.
Das Versprechen an die Kollegen bei jedem neuen Streik im neuen Beruf: Nicht mit uns, Genossinnen und Genossen.
Die Versprechen gegenüber jedem in seiner Nähe: sich nicht mehr zu erinnern und kein Wort zu verlieren über das was gewesen war, ja nicht mal einen winzigen Raum zu lassen für die Vorstellung davon, er sei Teil gewesen von all dem.
Das Versprechen an sein Publikum, wenn er auftrat als Conferencier und Clown nach dem Krieg, nicht mehr als Jongleur und Artist wie noch vor Jahren, weil seine Hände nicht mehr ruhig bleiben konnten.
Sein Großvater mütterlicherseits starb kurz nach dem Tod der Großmutter. Vielleicht war auch dies die Einlösung eines stillen Versprechens, vielleicht hatte er sie nicht so lang warten lassen wollen. Er war nach ihrem Tod nicht in der Lage, sich selbst Kaffee zu machen. Er machte keine Witze mehr gegenüber seinen Enkeln und vergrub sich hinter einer elektrischen Schreibmaschine, die er nicht mehr anstellte. Er aß wenig, erntete nicht das Obst von den Bäumen und schwatzte nicht mehr mit den Nachbarn. Er verfiel schnell und folgte seiner verstorbenen Frau bald nach. Er wollte die Kaffeemaschine einfach nicht begreifen.
Schöne Sätze #01
Heute:
Uwe Johnson, Mutmaßungen über Jakob,
Suhrkamp tb 3128, Seite 164
»Jonas war sehr zufrieden mit seiner Müdigkeit und mit dem daumengroßen Hautfetzen, der von seiner Hand abhing, wo der Fuchsschwanz angekommen war.«
I want to ride my bicycle
»Wo stellen wir es hin? Da an den Baum?«
»Guck doch mal: Du hast doch ’nen Ständer«
Rückblicke in Ermangelung sich ergebener Gelegenheiten
Verena Verena
Deine lockigen Haare
dein Fuß, wenn er aufstampft
vor Wut und vor Glück
Verena Verena
Geruch deiner Schulter
nach Milch und nach Viehstall
den lässt du zurück
Sabrina Sabrina
Deine heilenden Hände
hast du gerne den Babys
und mir auch gereicht
Sabrina Sabrina
Deine Stadt in den Bergen
so schön und so passend
von mir unerreicht
Maria Maria
Dein Zopf fällt als erstes
dein Hemd deine Socken
dann du durch dich durch
Maria Maria
Gestalt einer Göttin
Aphrodite dagegen
sieht aus wie ein Lurch
Von der Kunstbetrachtung 05
Alles so unscharf hier. Ich brauch ne Brille.
Was soll denn das? So wird ein schlichter
Momenteindruck ein großes Ding. Der Wille
zur Bedeutung kommt bei Gerhard Richter
übers Verwischte. Die Idee wird dichter.
Von der Kunstbetrachtung 04
Es regnet Farbe. Alle aus dem Weg!
Heraus den Schirm und Obacht! Aufgepasst.
Hier kleckst Herr Pollock. Zum Beleg
für sein verprengtes Innres spitzt er, ohne Hast,
auf seine Leinwand seinen Klecks-Bombast.