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Amsel, Drossel, Fink, Katarrh

Ich hier drinnen. Ihr da draußen.
Seid Ihr nicht in Afrika?
Sitzt Ihr jetzt nicht bei den Straußen?
Wieso seid Ihr wieder da?

Lässig lungern Drossel, Amsel,
Fink und Star im kalten Schnee,
Schnabel voller Wurmgebamsel,
grinsen seltsam. Das tut weh.

Ich erkältet, schlotterhosig
dampfend nach Erkältungsbad.
Ihr putzmunter, frisch und rosig
hopsend, trippelnd, im Ornat.

Meine Nase rotzekrustig,
Eure Freude widerlich.
Sagt, macht Ihr Euch etwa lustig?
Lacht Ihr etwa über mich?

Ist schon klar: Ihr pfeift aufs Wetter.
Piepegal sind Schnee und Eis.
Ihr braucht keinen Kräuterretter,
seid gesund und naseweis.

Nein, aus mir spricht nicht der Neid,
denkt Ihr auch: Der kranke Blödel!
Während Ihr die Coolsten seid,
vergift ich schniefend Meisenknödel.

Der Zug endet hier

Als grad mein Zug anfährt mit Ruck und lautem Schrill,
am Sonntagnachmittag im Bordbistro, halb vier,
da setzt sich an den Tisch gleich gegenüber mir
die Schönheit in Person und lächelt sanft und still.

Mit einem Schlag stockt mir der Atem. Jetzt und hier
die Schönheit selbst! Welch Emotionen-Overkill:
Dieweil sie sich vom Kellner Suppe wünscht mit Dill,
wünsch ich mich voller Sehnsucht und Hormon zu ihr.

Jetzt oder nie! Ich sprech sie an! Nur Haaresbreite
trennt mich von Glück. „Äh, hallo …“ Doch wie eifersüchtig
naht da der Schaffner. Sie erstarrt und blickt zur Seite.

Gleich ist er schon bei uns, er kontrolliert sehr tüchtig.
Da springt sie auf, rafft ihre Jacke, sucht das Weite.
Nein, nicht doch! Bleib!! – Ich spür, wie ich ins Dunkle gleite …
Verzweifelt ess ich später ihre Suppe. Wahre Schönheit ist halt flüchtig.

Die drei

Neben das Bettchen auf samtweiche Plätze
legt er am Abend in feinster Manier
zärtlich die wichtigsten drei seiner Schätze:
Das Dings, und das Bums, und den Armreif von ihr.

Jeder der Schätze hilft ihm durch die Nächte,
schützt ihn vor Seelenpein, Gilb und dem Tod.
Dings steht fürs Wahre, und Bums für das Echte.
Beide sind da, wenn ihm Überdruss droht.

Wandelt er aber im Schlaf durch die Wohnung,
schreckt dann hart auf aus dem Albtraumgebiet,
schafft beim Erwachen ihr Armreif ihm Schonung,
den er im Zwielicht beim Bett liegen sieht.

Das muss man wissen: Sie ist jetzt woanders,
ist schon seit Wochen ihm nichts als Phantom.
Erwacht er im Zentrum des Nachtdurcheinanders,
hilft ihm das Stück als Gefühlsmetronom.

So weist er fast jeden Schmerz auf die Plätze.
Ist nicht allein, denn es liegen Spalier
die wichtigsten drei seiner wenigen Schätze:
Das Dings, und das Bums, und der Armreif von ihr.

Der grosse Kampf

Mittlerweile Runde sieben.
Jim kriegt mächtig auf die Fresse.
Eisen-Joe liest ihm die Messe.
Ach, wär er doch zuhaus geblieben.

Harte Haken, schwere Schwinger,
rechts und links fängt JIM sie ein.
Seine Chancen – ziemlich klein,
seine Abwehr – nicht der Bringer.

Eisen-Joe, der Satansbraten,
fightet heut besonders schlimm.
Wieso aber kämpft denn Jim?
Wie war er hier reingeraten?

FRÄULEIN BARONESS ist schuldig.
Sie zu lieben war Jims Ziel.
Doch verlangte sie recht viel:
»Boxen!«, sprach sie ungeduldig.

Also lässt sich Jim zerlegen.
Und sieh da: In erster Reihe
sitzt das Fräulein B.! Zwei Schreie
schrie sie bei den letzten Schlägen.

Das gibt Jim die Kraft zur Wende!
Fräuleins Anblick macht ihn stark.
Zwar sind seine Muskeln Quark
und puddingweich die Boxerhände,

doch ihr Lächeln ist der Bringer!
Fräulein B.! Bald ist sie sein –
Krach! Da bricht Jims Nasebein:
Eisen-Joe gibt ihm zwei Dinger.

Unaufmerksamkeit birgt Schmerzen.
Schmerzen bergen Energie:
Angezählt und wild wie nie
landet Jim aus vollem Herzen

einen Treffer mit viel Grimm.
Joe fliegt förmlich aus der Hose.
Glaskinnbruch die Diagnose.
Aus, K.o. und Sieg für Jim!

Vor der Presse macht er Witze.
Lachend spricht er: »Joe besiegen?
Nein – ich wollt das Fräulein kriegen!«
Es blitzen noch 12 Fotoblitze,

die Wochenschau hat ihn im Kasten.
Dann gehts hinaus, und das sehr schnell.
Jim führt das Fräulein ins Hotel.
Dort schimmern Laken sanft damasten.

Aufregung in der Serenissima

Zum Karneval alljährlich in Venedig
reist FRÄULEIN BARONESS an den Canal.
Sie macht sich kostümiert ganz epochal
mit ihrer Entourage des Alltags ledig.

So fröhlich neigt sie beinah doch zum Weinen.
In diesem Jahr muss sie die Frage quälen:
Was wird bloß JIM für eine Maske wählen?
Und wird er diesmal überhaupt erscheinen?

Sie schaut mit Schluchz und suchend vom Balkon.
Dahinten, dieser kleine Gondoliere –
war das wohl Jim? Nein, denn er gondelt ja davon.

Wenn er heut fehlen würde, wäre das Premiere.
Wer spielte dann zum Tanz Bandoneon?
Da! Von San Giorgio schwebt die Montgolfière …

Übergang

Es holt der Sommer sich Absolution.
Einmal noch zeigt er, was er kann. Im Streite
will er nicht von uns gehn. Um Haaresbreite
glaubt man an seine Reinkarnation:

Die Wolken treten einmal noch zur Seite.
Zwei, drei, vier Strahlen. Warmer hoher Ton.
Ein letztes Lächeln. Ein „Ich komm ja schon!“.
Dann ist er fort. Der Sommer sucht das Weite.

Jetzt also Übergang. Nicht Fleisch, nicht Fisch.
Man sagt, dies sei die Zeit nun für Gedanken.
Ich denk: So wie paar Herren prahlerisch

in Tshirts draußen Sonnenreste tanken,
sorgt im Café für bald manch leeren Tisch,
dank erster Kühle, fröstelndes Erkranken.