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Pelle ist Blutwurst

(Ein Stoßgebet)

Warum wollen stets die alten
Herrn mit ihren tattrig kalten
Fingern mir an meinen Pimmel,
lieber guter Gott im Himmel?

Alle gehn mir in die Hose,
haben Religionsphimose,
scheißen was auf meinen Willen,
wollen ihren Glauben stillen,

machen einen großen Tanz,
um den kleinen goldnen Schwanz:
Vorhaut hin, Vorhaut her,
Vorhaut weg – das ist nicht schwer.

»Doch ihr kriegt mich nicht, ihr Greise«,
schwöre ich mir flüsterleise,
während ihr euch mit Narkose
Wege bahnt in meine Hose.

Wartet nur! Denn meine Rache
die wird groß sein. Feine Sache:
Bald schon mit dem langen Messer
holt euch mein Freund Pimmelfresser.

Schneidet euch dann alles ab!
Vorhaut reicht ihm nicht. Ein Happ –
er frisst’s auf, mit Stumpf und Stiel.
So geht Religionsgefühl!

Alle eure Paradiese,
Aug um Auge, dieser miese
ganze Dreck, das Heilsversprechen,
dafür werde ich mich rächen.

Und als freier junger Mann,
werd ich wichsen, was ich kann.
Lächelnd und mit Handgeschmeichel
huldige ich nur Sankt Eichel.

Am Morgen

Die Sonne scheint, der Hafer sticht,
doch ich bin bloß auf Schlaf erpicht.
Mich lockt nicht Leben, nicht Aktion,
mich lockt das Bett, dem ich entfloh’n.

Die Sonne sticht, der Hafer scheint.
Das ist ja sicher gut gemeint,
doch: Schlafwunsch herrscht in meiner Omme.
Du liebes, warmes Bett, ich komme!

Drei Narben: Kinn

1972
Vater schenkte mir die Schuhe,
band sie mir in aller Ruhe
an die Füßlein. »So mein Sohn,
roll mal schön! Du machst das schon!«
Machte ich auch. Ohne Bange
rollte ich zur Wäschestange
knallte kinnwärts mit Krawumm –
Narbe 1. Mein Schädel: Brumm!

1973
Sohn – da wäre ich ein schlechter,
wäre ich nicht auch ein rechter
Hasardeur in Fahrradfragen.
Ließ mich flott hangabwärts tragen,
unten stand mein großer Bruder.
Ich die Hände voll vom Ruder:
»Hallo Bruder!«, Lenker quer –
Narbe 2, na bitte sehr!

1974
»Heilger Geist!« So rief die Mutter,
weil ich mich, als wärs auf Butter,
mit dem Skateboard tüchtig schrägte,
als ich um die Kurve sägte
und dabei den Bordsteinrand
voll verfehlte. Dafür fand
ich gradeaus den Lampenmast –
Kinn voll drauf, die Narbe passt.

Moral
Einmal nähte man das Kinn.
Einmal klebte man es hin.
Einmal wurde es geklammert.
Immer habe ich gejammert.
Dreimal auf auf dieselbe Stelle,
heut noch findet man die Delle.
Soviel Kinderblödigkeit:
Narbige Dreifaltigkeit!

Angekommen

Freunde werden langsam älter.
Und am Tisch, man ahnt es schon
werden die Gespräche kälter.
Nicht mehr geht’s um Mindestlohn,

nicht um Solidaritäten,
nicht um die Gerechtigkeit,
nicht um Abgeordnetendiäten,
nicht um Klassenkampf und Streit.

Nein, es dreht sich mehr um Sachen
wie die Yogastunde, Kerzen,
darum, was die Kinder machen,
dass der Werner was am Herzen,

dass die Küche von IKEA,
das die Hochzeit schön gewesen,
dass der Rolf ein Fraunversteher,
– ja, wir gehn noch zum Chinesen.

Werner spielt jetzt Saxophon?
Zweimal Urlaub muss schon sein!
Und Tatjana, weißt Du schon?
Ja, ich weiß. Will noch wer Wein?

Possierlichkeit und Biedermeier,
hoppsa he! – da sind sie ja.
Lang vergessnes Rumgeeier
um Banales – wunnerbar.

Manifest aus Lyrien

Die Zeit wird knapp. Die Tyrannei
erzwingt jetzt unsren Hilfeschrei:
Dies ist die Manifestation
der lyrischen Opposition.

Wir stellen uns den Diktatoren
der schlappen Verse. Auf die Ohren
bekommen Grünbein es und Grass.
Weil sie nicht still sind, setzt es was.

Mit Stanze, Haiku und Metapher
geht’s aufrecht gegen die Erschaffer
von schwiemeligem Sprachenmuff:
Reim-Pumpgun hoch – und piff-paff-puff!

Doch sind wir arg unter Beschuss.
Wenn niemand hilft, ist hier bald Schluss.
Reimlexika für frische Lyrik
sind fast verbraucht. Schon reimt sich’s schwyrik.

Wir rufen Dich, Du freie Welt:
Schickt uns nicht Waffen, schickt nicht Geld!
Wir brauchen kein UN-Mandat,
Wir brauchen Lyrik-Destillat!

Sendet uns Jamben und Trochäen,
wir müssen Schüttelreime säen.
Schickt von den Limericks die schnellen –
das hilft uns lyrischen Rebellen.

Auch fehlt’s im Waffenarsenal
an Distichon und Madrigal.
Wir reimen schon auf kleiner Flamme
und brauchen Aufruhr-Epigramme.

Selbst Klapphornvers und Minnesang
eignen sich gut zum Waffengang.
Im Häuserkampf hilft die Ballade
und die Sonette-Kanonade.

So werfen wir gegen das Böse
uns reimend in das Kampfgetöse
und nehmen auf uns die Martyrien.
Wir kämpfen für ein freies Lyrien.

Dem Kater frühmorgens die Liebe deutend

(aus gegebenem Anlass in der korrekten Fassung)

Schau mich nicht an mit diesem Blick! Grade ihr Katzen
solltet doch wissen, wie es ist, sich zu verlieben,
wie man beim Wein sitzt nachts, bis morgens früh um sieben,
wie man verquere Dinge lallt in tief verguckte Fratzen.

Grade ihr Katzen solltet wissen, wie das ist:
Auf warmen Dachterassen schwerst verliebt zu sitzen.
Und dass das geht: beim kleinsten Fastberühren schwitzen,
weil man es als Beweis nimmt für: Es ist das, was es ist.

Wer, wenn nicht ihr, ihr Löwen, Jaguare, Tiger,
weiß, wie das ist: Im Gegenüber zu versinken
mit Krallen und mit Zähnen – wie in junge Finken.
Schön sanft sein und trotzdem ein Krieger.

Du putzt den Bart und tust, als ob du gar nichts willst:
Der Nacht-Genießer schweigt, liegt da mit einem Schnurren.
Das tu ich auch jetzt – gern und ohne Murren
geh ich ins Bett und bin mucksmäuschenstillst.

Prost zur Geisterstunde

Es ist im Wirtshaus »Heilger Geist«
die Stube voll, kein Stuhl verwaist.
Ganz schön was los! Es brennt die Luft!
Wer hier nicht mittrinkt, ist ein Schuft.

Deshalb ist Judas auch nicht da.
Nach 50 Tagen, das war klar,
trifft sich zum feuchten Totenfest
ein Elferschock Apostelrest.

Es ist schon spät. Die zwölfte Runde
zischt Petrus weg. Jetzt ist die Stunde,
dass er sich aufrafft stante pede
volltrunken zur Gedächtnis-Rede:

»Schon siebn Wochn isses her.
Erst war er tot – Ihr wißt schon wer –
dann wieder nich. Wir … hicks! … warn traurich …
Ganz unter uns: Ich fand das schaurich.

Doch trotzdem: Nach … hicks! … Väter Sitte
versaufen wir sein Fell. Und bitte:
wir wolln, nachdem wir … hicks! … gedenken,
der Leber keine Gnade schenken!«

Er hebt sein Glas. »Prost! Auf den … Chif!
Äääh … Chaf! Momentchen … Chof? Chuf? Chif!«
Peinliche Pause. Alle gucken.
Er erntet zehnfach Schulterzucken.

Wen meint er? Sie verstehn ihn nicht.
Plötzlich ein Sturm, es blitzt ein Licht.
Ein jeder sieht sich ängstlich an
und Geist schießt ein in alle Mann.

Volltreffer Petrus: Der steht stramm
und brüllt »Heiliger Bim und Bam!«
Dann, grade wie aus dem eff-eff,
sagt nüchtern er: »Prost auf den Chef!«

Der Chef! Na klar! Der ganze Saal
flippt aus wie einst beim Abendmahl.
Man küsst sich, lacht, es wird geweint:
Der Petrus hat den Chef gemeint!

»Chef!« kreischen alle durcheinander
und Petrus ruft ins Miteinander:
»Vergesst nicht: Was Ihr dem Geringsten …
Ach, Scheiss drauf – jetzt ist erstmal Pfingsten!«