Schlagwort-Archive: Gedicht

Familienbande

Ich trage meine Kinderlein im Oberstübchen aus.
Im Ultraschall erkennt man die Idee.
Auf Röntgenbildern sieht man: Es sind viele. Ei der Daus!
Sie zu gebären tut mir oftmals weh.

Als Hebamme an manchen Tagen dient der Alkohol,
ein andermal das Starren auf die Wand.
Dann wieder purzeln sie heraus aufs Geratewohl,
und jedesmal ist mir dann blümerant.

Sind sie am Licht, dann toben sie herum in Saus und Braus,
ergeben oftmals keinen rechten Sinn.
Egal – denn noch die blödesten sehn wie der Papi aus.
Und voller Liebe schmelze ich dahin.

Unbrauchbar gewordene Anfänge 02

Schwarzer Anzug, Silberschlips,
sanfte Stimme ohne Pips:
Gaucki ist jetzt Präsident
und für uns da, wenn es mal brennt.

Die Langeweile ist perdü
ab jetzt im schönen Schloss Bellevue.
Er zieht dort ein, er sprengt den Trott,
zu viert mit Freundin, Frau und Gott.

Den Gaucki kann man alles fragen.
Er hat für alles Unterlagen,
weiß über uns Bescheid, ist quasi
die graumelierte Präsi-Stasi.

Für wirklich jede Frage, auch
für die von Kaspar Günter Jauch,
da kennt er die Beantwortung:
»Freiheit mit Verantwortung!«

usw usf

Unbrauchbar gewordene Anfänge 01

Ihr könnt mir alle viel erzählen:
Ich würde nie Sir Gaucki wählen!
Das brächte ich nicht übers Herz.
Zu groß wär mir der Wahlmannschmerz

Zunächst: Der Mann war vormals Paster
und schon deswegen Kritikaster
von allem und von jedem hier,
was nicht von Gott kommt: Du und wir.

Dann noch: Er kommt vom Osten her,
als Zwangsumtausch der DDR.
Und außerdem – Oh Weh! Oh Graus! –
sieht er wie Hartmut Mehdorn aus.

usw usf

Mittags, die Sonne

Kein Mensch mehr an Bord,
das Schiff ist verlassen.
Nicht mal jemand da,
um noch weiter zu ziehn.

Ganz leer ist der Platz,
alle sind schon zu Hause.
Wer jetzt keinen hat,
findet niemand zum fliehn.

Kein Schluck mehr im Glas,
nur Eiswürfel klimpern.
Wer jetzt nicht betrunken
ist, wird es nicht mehr.

Ringsum alles stumm.
Kein Satz, keine Frage.
Die Köpfe sind voll,
unsre Herzen sind leer.

8 Polaroids

Müde Kreative
trinken Café Latte
tragen hippe Sachen
krümeln mit Tabak

Müde Kreative
blättern in Terminen
gähnen sich durchs Meeting
kratzen sich am Sack

Müde Kreative
sprechen übers Treatment
blättern im Notizbuch
schweigen angespannt

Müde Kreative
tragen alle All Stars
wollen die Regie
sind nur Hospitant

Müde Kreative
reden über Filme
schaben ihre Bärte
schnaufen dann und wann

Müde Kreative
rutschen auf den Stühlen
klappen ihre Laptops
sagen Ciao bis dann

Müde Kreative
streicheln ihre iPads
raufen sich die Haare
sehn verlassen aus

Müde Kreative
trinken noch mehr Latte
scheissen auf Ideen
trollen sich nach Haus

Katz & Fuchs

Es trottet ein Fuchs aus dem Wald. Eine Katze
schleicht knapp hinterdrein. Ganz langsam. Kein Mucks.
Dem Jagdinstinkt folgend verfolgt sie den Fuchs,
geduckt und fast schwebend auf samtweicher Tatze.

Der Fuchs wiedrum schlendert, als wenn gar nichts wäre.
Bemerkt sie nicht. Sie aber ist auf der Jagd.
Nach ihm. Doch das lässt ihn ganz kalt. Unverzagt
kreuzt er lässig die Lichtung ins kühl waldesleere.

Was meint dieses Bild? Was soll so ein träger
Vergleich? Und was bitteschön lehrt uns das heute?
Fast sicher scheint mir, dass der Sinn solcher schräger

Metaphern auf mich weist, der wie andre Leute
ganz gern mal im Leben denkt, er sei der Jäger –
nur merkt das meist niemand, schon gar nicht die Beute.

Hymnisches Schwärmen zur Jahreszeit

Auferstanden aus Ruinen
steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Einigkeit und Recht und Freiheit
Streifen ahnungsvoll das Land.

Laßt uns pflügen, laßt uns bauen,
Unser ganzes Leben lang.
Danach lasst uns alle streben:
Deutscher Wein und deutscher Sang

Aus der Hülse, blank und eben,
Steigt ein frei Geschlecht empor.
Lass uns dir zum Guten dienen.
Lernt und schafft wie nie zuvor!

Glück und Frieden sei beschieden.
Sind des Glückes Unterpfand.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet:
Frühling lässt sein blaues Band.

Da draußen

Männer, die mit Pudeln gehen
Frauen, die nach Kleidern sehen
Kinder, die vorüberwehen
Hunde, die um Gnade flehen

Rollis, die lang Kette rauchen
Raucher, die sanft Anschwung brauchen
Menschen, die die Kälte schmauchen
Katzen, die den Mond anfauchen

Jungs, die sich das Bein vertreten
Mädchen, die um Schönheit beten
Kinder, die auf Hopsgeräten
hopsen, in verschneiten Städten

Gitter vor den Juwelieren
Omas, die, von alten Tieren
kommandiert, mit ihren
Hackenporsches rumflanieren

Menschenwirniss, trallala
Auf dem Weg nach Golgatha
Muntres Treiben, hahaha
Volle Welt, wie wunderbar

Pudel, die mit Herren gehen
Hüte, die auf Frauen stehen
Sehnsüchte, die untergehen
Lebensträume, unbesehen

Farben, die sich nicht verschonen
Dinge, die sich kaum je lohnen
Häuser, die bei Menschen wohnen
Draußen in Fußgängerzonen