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Am Sonntag

Ein Gang auf der Chaussee
ein Morgen wie ein Jahr
ein Stündchen im Café
ein Herz voll Algebra

Ein Tässchen heißer Tee
ein Tag, noch völlig klar
ein Blättern im Essay
ein Märchen dick wie Haar

Ein wenig vorm PC
ein Rot wie Paprika
ein Blitz, eine Idee
ein Takt Eroica

Ein kühler Wind vom See
ein Abendrot beinah
ein Regenguss, herrje
ein Glanz und Gloria

Ein Blick ins Separee
ein Bett wie Afrika
ein Kuss noch für die Fee
ein Lidschlag, und ich sah

Angesichts aktueller Reisepläne

Iserlohn kenn ich schon.
Alles Schlamm dort in Hamm.
Breckerfeld? Nicht für Geld!
Keinen Trost spendet Soest.

Doch Dijon hat Saison, nichts ist schwer in Auxerre,
und Cluny langweilt nie – es geht rund im Burgund.

Da in Kiel geht nicht viel.
Ich krepier dort in Trier.
Wuppertal kann mich mal.
Es ist doof dort in Hof.

Doch Givry täuscht mich nie, nichts fällt schwer in Nevers,
Vézelay tut nicht weh – volles Pfund rockt Burgund

Dort in Graz: alles schwarz.
Laut geschrien wird in Wien.
In Davos ist nichts los.
Und nach Senf stinkts in Genf.

Doch Vitteaux hat Niveau, voll Magie: Clamecy.
Im Burgund schmeckt es – und: ganz Burgund: Erdbeermund.

In Paris ist es mies.
Niemals Tag wirds in Prag.
Mit ganz Split bin ich quitt.
Und der Strom fehlt in Rom.

Doch die Yonne: Mehr davon! Wunderbar: die Loire.
Auf der Saône: lacht die Sonn. Glückes Grund: das Burgund!

In Pjön-Jang ist mir bang.
Gar nicht froh: Tokyo.
Ganz New York schmeckt nach Kork.
Sündenpfuhl: Istanbul.

Doch Charolles ist voll toll! Bin ganz Ohr im Côte-d’Or,
im Chateau werd ich froh, und gesund im Burgund.

Auf ein Wort, Herr Sommer!

He! Hallo! Sommer! Sag dem Herbst,
er kann sich sein Erscheinen sparen.
Die Blätter kann er oben lassen dieses mal.
Ich glaubs ihm eh nicht. Und sein peinliches Gebaren,
die ganze Indian-Summer-Show, die ist doch an den Haaren
herbeigezogen. Mich kann er nicht ins Sehnsuchts-Bockshorn jagen.

Und wenn du schon dabei bist, Sommer:
Der Winter muss sich keine Mühe geben.
Ist mir egal, ob er es arktisch eisig macht,
ob er mich peitschend schneeberegnet. Kein Ergeben
kann er von mir erwarten dieses Jahr: Ich werde schweben,
warm und von mir selbst erhitzt seit Wochen, Monaten und Tagen.

Ach, und Kollege Frühling braucht
erst gar nicht zu aufzutauchen, dieser Clown.
Er kann sich seinen ganzen Scheiß schön sparen,
von wegen Knospen, Blüten, blaues Band. Der soll sich traun
von frischem Grün mir vorzuschwärmen, dieser Liebesfaun.
Vergebne Müh! Mich hats schon volles Rohr erwischt, ganz ohne Fragen.

Jetzt weißt Du’s, Sommer. Im Vertraun:
ich bin verliebt und werd es auch schön bleiben.
Ich brauche nicht den Herbst und nicht den Winter,
schon gar nicht diesen Frühling, um mich zu beweiben.
Das, was ich brauche, ist Dein schlichtes Sommer-Liebestreiben.
Denn was ich Mund auf Mund besitz, kann ich getrost nach Hause tragen.

Wenn ich erstmal erleuchtet bin

Es beugt sich aller Jünger Fuß
schon morgens mir zum Sonnengruß
und schafft mir Distinktionsgewinn,
wenn ich erstmal erleuchtet bin.

Bin ich erst Swami oder Meister,
gelingt mir alles. Und wie Kleister
kleben die Jünger dann an mir.
Und Jüngerinnen! Quel Plaisir!

Schon morgens wird recht viel gebetet,
danach ein Mandala geknetet.
Dann hört man mich mein Mantra summen,
bis alle Restsynapsen brummen.

Am Mittag kurz ein Geistweltschlaf,
später dann folgt nach Paragraph
drei/sieben vom Erleuchtgesetz
ein bissl Esokram-Geschwätz.

Dann schwebe ich, geh meditieren,
bin transzendent auf allen vieren,
und nachmittags um fünfe schon
hab ich dann frei. Als Mindestlohn

winkt mir Gesellschaft aller Damen
im Ashram – die mit Engelsnamen.
Nicht Dörte und nicht Jaqueline,
Jeanette nicht, nicht Caroline,

nein, um mich rum tragen die Damen
nur allerfeinste Seltsamnamen:
Sie heißen Sutra oder Kama
und sind mir süßes Liebes-Drama.

Auch finanziell: ganz ohne Sorgen
leb ich vom heut ins übermorgen.
Fast täglich mach ich oben drauf
in Genf ein neues Konto auf –

das alte ist schon wieder voll.
Denn das ist ja besonders toll:
Es schenken mir die Jünger das,
was ich so liebe: Geld en masse.

Wer trinkt schon Wasser, wenn er Wein
bekommen kann. Kein Schwein
versteht den ganzen Brahmaquatsch?
Ja und? Was solls? Kladderadatsch!

So toll ist mir das Meisterleben,
es kann kein bessres Leben geben.
Und alles hat dann endlich Sinn
– wenn ich erstmal erleuchtet bin.

Gastzahnbürste

Die Gastzahnbürste sagt „Hallo!“
Sie ist noch da, da bin ich froh.
Am Waschtisch liegt sie. Und die Gast,
die sie vergaß, ist jetzt schon fast

gleich wieder da. Ich schlaf in Ruh
und Frieden ein und deck mich zu.
Ich streck mich und ich träum beim Gähnen
voll Sehnsucht von den Gästezähnen.

Wie schön sie aufgereiht sind und
wie groß im weichen Gästemund.
Den träum ich mir versaut-verlegen.
Er lächelt traumbreit mir entgegen.

Heut

Heut ist kein guter Tag zum Spannen.
Nebel liegt flach auf der Stadt.
Wer heute lange Beine hat,
geht völlig unbespannt von dannen.

Heut hat man keine gute Sicht.
Der Blick reicht keinen Meter weit.
Wär’ da ein Frollein noch so breit –
der Spanner kriegt’s nicht zu Gesicht.

Heut muss er pausen, der Voyeur.
Es ist so alles grau in braun.
Die Menge geilbespannter Fraun
passt heute durch ein Nadelöhr

Heut, ist man keine Fledermaus,
sieht man die Hand vor Augen nicht.
Dem Spanner fehlt die Übersicht
und er schleicht ganz verspannt nach Haus.

Heut macht er sich’s zuhaus bequem,
hier spannt er aus mit seiner Frau.
In Ruhe, nach der Tagesschau,
schreibt er ein spannendes Poem.

Teillieferung

Das also ist das Veneto.
Flachdach und scheißsteile Felsen.
Nebeldunstwolken und Wiesen
Hellbraunes karges Gestein.
Zischend durchquert von den Zügen
Grünt es und sonnt es im Tal.
Halbrunde Ebene. Offen
Führt es uns in die Lagune.
Das also ist das Veneto.

Das also ist die Lagune.
Offene hellgraue Soße.
Tief ausgegrabene Rinne,
Häuser auf Stelzen. Kanal.
Mücken und pisswarmes Wasser.
Brüllende hopsende Boote,
Inseln voll Tote und Glas.
Das also ist die Lagune.

Das also hier ist San Marco.
Platz voller Bautransparente,
Pferdchen und Goldmosaike,
Kuppeln geklaut aus Byzanz.
Seit Napoleon wird hier nichts fertig.
Goethe trank Florians Kaffee.
Tauben und Touris in Liebe.
Das also hier ist San Marco.

Das also ist die Rialto.
Lange die marmorne Diva.
Dreireihig geht es hinüber,
Bucklichtes Treppchen voll Tand.
Einzige Brücke nach drüben
Führt sie rechts zum kleinen Kirchlein,
Links gehts zum Glasausverkauf.
Das also ist die Rialto.

Am Abend

Es geht vor der Heia und nach dem Gebet
noch einmal ins Wortwerk, zu sehn, was da geht.

Vor seeligem Schlummer, mit schläfriger Hand,
sortier ich nochmal: was war gut, amüsant?

Der Tag ist am Abend vertändelt, vertan.
Und doch – ich setze den Stift nochmal an:

Wenn alles getan ist, gespült und gewischt,
dann schreib ich mir abends ein letztes Gedischt.