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Die Fünf Tibeter

Hört, Leut, Euch die Geschichte an,
von der man vieles lernen kann:
Fünf Männer gingen übers Land,
die warn in Tibet wohlbekannt.

Der Erste, der recht seltsam stank,
ward schwer und überraschend krank.
Er nahm dagegen Globuli
und starb deswegen viel zu früh.

Der Zweite war ein Herzensmann,
der herzte, wo man herzen kann.
Er ward geliebt mit Haut und Haarn
und dann vom Auto überfahrn.

Der Dritte war Inkarnation
von Friedrich Zwo, samt dessen Thron.
Der Thron war schwer und allzubald
riss es ihn in den Gletscherspalt.

Der Vierte hatte zwar kein Geld,
jedoch Kontakt zur Geisterwelt.
Er hörte Stimmen, nicht zu knapp,
bald drauf gab er den Löffel ab.

Der Fünfte war der letzte dann.
Ganz Tibet blickte auf den Mann.
Er aber hatte schlechtes Karma,
verschied als letzter Dalai Lama.

Nun zur Moral. Im neuen Jahr
denkt Ihr vielleicht: Wie wunderbar,
wir schmeissen uns ins Leben rein –
gemeinsam ist man nie allein.

Lasst diese Fünf Euch Mahnung sein.

Aller Anfang

Grad habe ich es erst erworben,
schon riecht es irgendwie nicht gut.
Kaum hinzusehen reicht mein Mut.
Es glänzt so seltsam grün verdorben.

Noch gestern war es doch so neu
und sahnig weiß und schön und frisch.
Jetzt liegt es tranig auf dem Tisch,
mit dem Hautgout von Katzenstreu.

So kann man das doch wirklich nicht gebrauchen.
Das hatt ich nicht im kühnsten Traum erwartet.
Ich glaub, ich fang gleich wieder an zu rauchen!

Hier ist Betrug im Spiel, wie abgekartet:
Statt sanft und blümerant mich anzuhauchen,
ist Zwanzigvierzehn schon voll durchgestartet.

Am Ende

Zwovierzehn tritt ans Runder. Allenthalben
macht Rückschau sich nun breit und Sentiment.
Man feiert alles Gute transzendent,
auf Wunden schmiert man heilserwartend Salben.

Man steht, im fünften Monat nach dem siebten,
ganz weich im Leben rum und blickt nach vorn.
Man legt die Harmonie über den Zorn
und liegt, so man sie hat, bei der Geliebten.

Man sagt, dies sei die Zeit, sich zu verändern.
Man ändert sich. Und lässt es wieder sein.
Vielleicht fährt man zum Ausruhn an den Rhein.
Vielleicht kommt man zu sich in fremden Ländern.

Auch plagen einen seltsame Gespenster.
Man ist dem Leben nicht so auf der Spur.
Viel öfter schaut man jetzt auch auf die Uhr
und morgens manchmal länger aus dem Fenster.

Am Ende neigt man zur Melancholie
und kriegt sentimental sehr hohes Fieber.
Man hört die alten Platten jetzt viel lieber.
Am Ende klingen sie so schön wie nie.

So ist der zwölfte Monat unser bester.
Er zaubert wie kein andrer zaubern kann
und magisch zieht er uns in seinen Bann.
Sein größter Trick heißt: Sehnsucht zu Silvester.

Alles guti!

Vögel tölpeln durch die Blätter
Hasen schlingern durch den Hain
Bieber raspeln dünne Bretter
Eichhorn lässt das Rauchen sein

Schnurrend legt das Lamm sich nieder
Leise summt und brummt die Kuh
Kranich kaltpresst sein Gefieder
Seelig schlummert Känguruh

Freundlich grüßt die Winselstute
Buckelnd gähnt die kleine Katz
Bernhardiner hebt die Rute
Eule rechtschreibt einen Satz

Unsereins nimmt KaffeeKuchen
nach dem Gang durch die Natur
Wollte dort nach Fehlern suchen
Doch von Fehlern keine Spur

Hör, Genosse!

Hell tönen weit und klar im Erdenrund Fanfaren
Erleichtert aufgeräumt grüßt noch die kleinste Stadt
Es lüpfen ihren Hut die feinen Herrn und die Barbaren
Weil endlich doch noch sich Erlösung eingefunden hat

Voll Nachsicht bremst auf freier Fahrt der freie Bürger
Und zärtlich zieht der Großmeister Remis statt Matt
Mit Freudentränen lässt vom Opfer ab der Würger
Weil sich zum Bessren, Schönren endlich wendet unser Blatt

Zart singen Kinderchöre „Halleluja!“ – horch
Warm leuchten Sonnen mit Millionbillionen Watt
Sanft liegt in Frieden neben jedem Lamm ein Storch
Denn unsre Zukunft läuft in Zukunft supergut und glatt

Den Schwächsten ist die neue Männerquote Segen
Den Doofsten hilft ab jetzt der Kohlestrom-Rabatt
Die Ärmsten nässt der Maxilohn wie warmer Regen
Weil sich Vernunft nun durchgesetzt und Oberwasser hat

So halt auch du dich nicht zurück, Genosse, stimm mit ein
Brüll dir mit uns im Jubel deine Stimme platt
Jetzt soll die allerschönste Zeit des Jahres sein
Weil jetzt die Kanzlerin die SPD annimmt an Kindes statt

Proust! Lesen!Ein Lektüreseminar

Schiffe treiben im Kanal
Nordkolleg liegt leidlich brach
Garten trauert Sommer nach
Herbstlich unbunt und banal

Luft schmeckt beinah schon nach Schnee
Himmel droht mit grauer Pest
Einsam wird das Lesefest
Wochenende in Combray

Maulwurf hügelt sich ein Grab
Beete kümmern karg und grau
Gärtner spielt im Herbst Mau-Mau
Tapfer mühen wir uns ab

Wind kommt auf und blättert um
Will am Volltext uns erfreu’n
Exegese in S9
Vieles schlau und manches dumm

Großes Ganzes schwer zu sehn
Leserhythmus aus der Spur
Ist der Autor auch Figur?
Will noch wer eine Madeleine?

Proust schrieb voller Lebensmüh
Viel zu lang und viel zu gut
Schilf ist schlaff und Obstbaum ruht
Langsam geht der Geist perdu

Weicher Keks reicht nicht mehr weit
Chorgesang treibt mit dem Wind
Seitenweise Labyrinth
Suche bleibt verlor’ne Zeit

Buche liegt im Gerhardshain
Zeit ist alles, Zeit ist nichts
Müd’ des Litraturgerichts
stellen wir das Lesen ein

Licht gelöscht im Bernsteinhaus
Rasch entkorken wir den Roten
Proustsche Tiefen auszuloten
Trinken wir zwölf Flaschen aus

Dieselknatter tönt vom Hafen
Himmel wird von Kiel her hell
Letztes Glas noch auf Marcel
Früher ging ich früher schlafen

Mein Präsident!

Er hat den schönsten Zauselbart,
ist innen weich und außen zart.
Sein Duft ist frisch wie Schäfchenwiese,
sein Atem sanft wie Frühlingsbrise.

Es ist mit allen heil’gen Wassern
gewaschen der Rohani Hassan.
Der Turban-King von Teheran
gilt vielen schon als Neuer Mann.

Er ist in Ajatollahland
als Sanftmut in Person bekannt.
Und jeder Jude kriegt den Blues,
schickt Hassan ihm den Neujahrsgruß.

Als Kind schon wollte er nie balgen,
schnitt Schwesters Barbie ab vom Galgen.
Und schläferte nur unter Weinen
den Nachbarshund ein, mit zwölf Steinen.

Wenn Damen ihn im Raume wähnen,
dann schießen ihnen Freudentränen.
Er kann den längsten Zungenkuss
und steht für Omas auf im Bus.

Er amnestiert die ärgsten Krittel,
und trägt Iranens schönste Kittel.
Verbraucht privat nur Ökostrom
und hasst persönlich das Atom.

Wie wär’s – hier wird doch grad verhandelt
und sowieso das Land verwandelt –
vielleicht, dass man ihn tauschen kann,
den zuckersüßen Muselmann?

Das fänd ich gar nicht so verkehrt.
Der wär mir glatt den Hoeneß wert,
oder die Hannelore Kraft.
Es wär viel Gutes auch geschafft,

wenn man im Tausch die CSU
weggäben tät. Dann wäre Ruh.
Mit Hassan würde Deutschland zart,
statt Gottes- Heinzelmännchenstaat.

Der Gott der Carnivoren

Gott steht an im Metzgerladen,
reibt sich lächelnd seine Hände,
inspiziert die Wurstbestände,
schaut auf Metzgerfrauen-Waden.

Soll er heute Blutwurst wählen,
Schnitzel und ein Viertel Zunge?
Oder von der sauren Lunge?
Wird er Kalorien zählen?

Schwein derweil im Metzgerwagen
hat so gänzlich andre Sorgen.
Ruckelt durch den frühen Morgen,
tut sich letzte Fragen fragen.

Metzgerfrau sagt: »Das kann dauern,
wenn sie wieder Schweineschwarten
wollen.« Gott spricht: »Ich kann warten.«
und er lächelt sans Bedauern.

Er hat Zeit und Schwein hat keine.
Gott, ganz lässig, freut sich schon.
Koteletts sind ihm Gotteslohn,
schön sind Metzgerinnenbeine.

Nichts muss schnell gehn oder flott.
Er scheint ganz Geduld zu sein.
Weiß er doch, ein jedes Schwein
findet seinen Weg zu Gott.

Stunden später oder so,
tritt er pfeifend auf die Straße,
schwer bepackt. In hohem Maße
lächelt Gott sehr fleischesfroh.

Taschen voll mit Schinkenwurst,
Schweineschnitzel und Tartar,
sieht er vorn in Rudi’s Bar
Mädchen, die ihm winken. Durst!

Genesis

Liegt ein Staub auf allen Dingen,
grünt ein Schmier allüberall.
Hör nur: Silberfischchen singen
schöner als die Nachtigall.

Altpapier wächst allerorten,
auf dem Spül liegt Ewger Schnee,
Krümel, Haare aller Sorten,
Spinneweb im Separée.

Wäscheberge stellen Fragen,
Scheiben starren matt und grau.
Zum Putzen, Wienern, Wohlbehagen
fehlt mir jeder Überbau.

Geb viel lieber mich den Lastern
hin, naiv und unverstellt.
Phlegma und auch Sehnsucht pflastern
meine Wege in die Welt.

Und so bleibt mir meine Erdung
auch in Chaos und Verfall:
Weiß doch, vor der Menschenwerdung
kommt der Haushalt-Sündenfall.