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Ein Prinz ward geboren

Ein Prinz, hurra! Es ist grad wie ein Wunder!
Gebenedeit als Frucht des Windsor-Leibes,
fielst du vom Schoß des Thronnachfolger-Weibes
und wirst nun stündlich runder und gesunder.

Man feiert dich, hisst Fahnen, schießt Kanonen,
man macht aus dir die britisch große Sache.
Stramm wird man dich erzieh’n, du aber lache
und halte durch! Denn einmal wirst du oben thronen!

Dann kannst du machen, was du willst, nach freien Stücken.
Coming of Age! Brich aus dem goldenen Verlies.
Dass das gelingt, dafür woll’n wir die Daumen drücken.

Was immer du auch tust, bedenke dies,
dir muss auf jeden Fall im Lebens eines glücken:
Fahr nie mit Vollgas im Mercedes durch Paris!

Julimorgen

Da drüben schwirrt ein meckerndes Gelach
Von hinten klingt das Klirren kleiner Tassen
So langsam wird der Tag halbwach
Und kriegt in aller Schönheit sich zu fassen

Espresso dampft sich schneidend eine Spur
Am Nebentisch wird leis und schnell gesprochen
Der Himmel ist vollrohr azur
Nie hat ein Morgen besser je gerochen

Drei Herren trinken Bier sans Alcohol
Auf Schlappen murrt ein Gast sich seine Wege
Ein Tauber plustert sich frivol
Der Wind entführt Serviette und Belege

Dann plötzlich wird es laut, der Trott beginnt
Ein Kellner singt am Nebentisch Schmonzetten
Die Götter sind uns wohlgesinnt
Der Tag ist durch sich selbst nur noch zu retten

Nur manchmal

Ihm fehlt ihre Stimme, ihm fehlt ihr Geruch,
ihm fehlt ihrer Herrlichkeit Pracht.
Ihm fehlt, wie sie abends um acht
dem Bade entsteigt und im Badetuch

mit ihm sich gesellt in die kommende Nacht.
Sie fehlt ihm als offenes Buch.
Ihm fehlt jeder einz’lne Versuch,
mit dem sie die Welt ihm verhundertfacht.

Ihm fehlt ganz banal ihre Haut und ihr Haar.
Sie fehlt ihm als Gegengewicht
gegen das eicherne Mobiliar

des Lebens. Ihm fehlt ihr Gesicht.
Ihm fehlt wie es damals halt war.
Nur manchmal, da fehlt sie ihm nicht.

Lang überfällige Würdigung

Der Eros ist ein prächtig Ding,
mit Pomp und Glanz behangen.
Er weckt mit seinem Klingeling
ein mächtiges Verlangen.

Vor kurzem galt er noch als tot
und roch ein wenig ranzig,
jetzt gibt es ihn im Angebot
für dreiundfünfzig zwanzig.

Der Eros ist ein Hauptgewinn.
Ob draußen oder drinnen:
Wir geben uns ihm lächelnd hin
mit allen siebzehn Sinnen.

Denn sind wir groß und sind wir klein,
fehlt uns auch der Verstand –
wir wollen wie der Eros sein,
so flott und flamboyant.

Sonetteltes Verschlüss

Sogar Gedichte 001110011011101110010011001 verschlüsseln,
100100000111010001001000000100000011101000 NSA und BND!
0010110111001100101001011100110010100101110 dem Kanapee
mit großen 110010001000000100011011000111 und Schüsseln.

Das ist 1001011100100000011110010110100 oder Negligé.
Nun also 100000010011110111011001100001011 Datenrüsseln.
00110111100100000011001000111001 Dechiffrierungsschlüsseln.
Ist das denn 110010001000000100111101110 ins Dekolleté?

0100001001100101001000000111001101 ja grad der Witz!
Und das 010000001111001011011110111010101 als abgemacht
Wer vorn 01101001011011100110010101110 ist hinten spitz

Seit Stunden 011110111000010110110001110100 verbracht
mir all 00011011110010000001100100011 oder Lakritz
11001-11001-11001-11001! Hab selten so gelacht!

A Day in the Life

Der Junge, der die Taube jagt.
Das Mädchen, das am Buchsbaum nagt.
Der Vater, der die Mutter fragt:
Hab ich Dir das nicht gleich gesagt?

Der Junge wird mal Jägersmann,
das Mädchen Gärtner irgendwann.
Und Du wirst meine Frau, und dann
werd ich auch gern Dein Ehemann.

Da haben alle sehr gelacht
und sich in’s Schwimmbad aufgemacht.
Erst sehr viel später, in der Nacht,
hat man sich dauerhaft verkracht.

von Tauben lernen

Die Taube blickt zum Täuberich
und seinem schwachen Überich

Er watschelt als getriebner Geck
knapp hinter ihr durch Gossendreck

Als Quelle seines Liebes-Wehs
eröffnet er ihr stolz sein Ees

Und pumpt sich auf mit trüber Luft,
den Schnabel zu, dass nichts verpufft

Er gurrt und hopst und nickt und ruckt,
scharwenzelt rum und scharrt und zuckt

Nichts lässt er ihr von sich verborgen,
er macht Krawall, als gäb’s kein Morgen

Nur kurz hält er im Balzen inne
und späht auf Wirkung seiner Minne

Kopfschüttelnd macht sich da die Taube
weils ihr zu blöd ist, aus dem Staube

Edward Snowdens härtester Job

Ich musste das ja täglich lesen! Das tat weh!
Es schmerzte tief mich dieser geistesleere Wichs.
Schlaf übermannte mich in Nullkommaundnix.
Mein Hirn war schon nach Stunden weicher als Püree.

Am allerschlimmsten war der Schachtelsätze-Mix,
brutal und langweilig und ohne jeden Dreh.
Ich überwachte zwar ganz brav, wie eh und je,
doch war mir dauerschlecht – da halfen keine Tricks.

Ich fühlte mich verlor’n wie auf der Odyssee
und nutzte dann sofort die Gunst des Augenblicks.
Ich hielt es einfach nicht mehr aus. Ja, ich gesteh,

nach all den Jahren war ich fertig und auch fix.
Das war der allerschlimmste Job der NSA:
der Mailaccount von kanzlerin@gmx

DIY

Regel 1: Gedicht ist gut,
wenn es sich schön reimen tut.

Regel 2: Es ist Gedicht,
wenn es Verse hat. Sonst nicht.

Regel 3: Ob Hebung, Senkung –
Kunst liegt in der Selbstbeschränkung.

Regel 4: Was man Dir tu,
reim auch jedem Andren zu.

Regel 5: Wird es Sonett,
kriegst Du alle Frau’n ins Bett.

Regel 6: Verrat ich nicht,
sonst schreibst Du bald auch Gedicht.

Regel 7: Alles klar,
wenn das Thema gut und wahr.

Regel 8: Mach es schön kurz.

Erkenntnis 1977

Ich staune und beginne zu
verstehen, dass Herr Winnetou
kein echter Indianer war.
Er kam vom Kontinent, und zwar

kam er vom Frankenreiche her,
und war dort Angehöriger
von einem Volk namens Bretonen,
die dort in der Bretagne wohnen.

Die reiten niemals nicht auf Pferden.
Es liegt für sie das Glück der Erden
im Käse der Bretonen-Ziege,

So singt man ihnen an der Wiege.
Und außerdem: Sie kennen „Howgh!“
nur als ein schlecht gesprochnes „’Au!“